‚Celebrate earth day, every day‘ – Ausdruck globalen Umweltbewusstseins?

Am 22. April 1970, acht Jahre nach Rachel Carsons „Silent Spring“, bevölkerten 20 Millionen US-Bürger, zu Fuß und auf dem Rad, Parks und Straßen im ganzen Land. Im Rahmen von Aktionswochen demonstrierten sie für eine „gesunde“ Umwelt und feierten den ersten Earth Day. Initiator des Spektakels war Gaylord Nelson, Senator aus Wisconsin. Unter dem Eindruck einer verheerenden Ölpest in Santa Barbara und inspiriert durch die Anti-Vietnam- Proteste sowie den 1969 auf einer UNESCO-Konferenz unterbreiteten Vorschlag für einen weltweiten „Tag der Erde“ wollte er durch die Zusammenführung einzelner Umweltschutzgruppierungen einen breiten Protest formen, um mit dem dadurch entstehenden öffentlichen Druck auf die Politik eine Institutionalisierung des Umweltschutzes auf Regierungsebene zu erwirken. Sogar zwei Drittel der Mitglieder des US-Kongresses nahmen an Kundgebungen teil, was die hohe Integrationskraft des Anliegens belegen mag. Und tatsächlich: gegen Ende des Jahres hatten die USA eine „Environmental Protection Agency“. Präsident Nixon hatte sich dem Druck der Öffentlichkeit, wenngleich widerwillig, gebeugt (heute steht die EPA wiederum unter dem Beschuss Donald Trumps).
Zwei Jahre später fügte sich die UN-Umweltkonferenz in Stockholm, auf der die Agenda für eine internationale Umweltpolitik gesetzt wurde, in das Narrativ der „Only One Earth“ ein, das einerseits auf die Zerbrechlichkeit des Planeten verwies und andererseits eine interdependente Welt postulierte. 1990, im selben Jahr, in dem der umweltbewegte US-amerikanische Volksbarde John Denver sein Album „Earth Songs“ veröffentlichte (s.u.), war der Earth Day erstmals eine globale Kampagne. In 141 Staaten beteiligten sich am 22. April geschätzt 200 Millionen Menschen an Aktionen, um auf unmittelbare und drohende Umweltgefahren aufmerksam zu machen. Die mediale Reichweite des UN-Gipfels über nachhaltige Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 ist wohl u.a. auf solche Vorarbeiten zurückzuführen, mit denen man nicht nur Regierungen unter Druck setzen, sondern auch die Gesamtbevölkerung sensibilisieren wollte. Und so betonten die Protestierenden die Verantwortung des Einzelnen, ganz nach dem Motto „Think global, act local“. Noch heute steht der Earth Day, professionalisiert und weiterhin hauptsächlich von Nichtregierungsorganisationen getragen, im Zeichen zivilgesellschaftlichen Engagements — jedoch schmücken sich auch öffentliche Institutionen und Unternehmen gerne mit einem Beitrag.
Wenngleich derzeit Kampagnen gegen Plastikmüll in den Meeren scheinbar erfolgreich breite Bevölkerungsteile für diese Problematik sensibilisieren, wird gleichzeitig weltweit der mühsam verhandelte Konsens über die Klimaziele schleichend aufgekündigt. Ablesbar ist dies bspw. an dem US-amerikanischen Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen oder dem deutschen Aufschieben von Begrenzungen der CO2-Emissionen. Und so feiert das internationale Earth Day Movement in diesem Jahr unter dem Motto „End Plastic Pollution“. In Deutschland steht der Earth Day u.a. im Zeichen einer nachhaltigen Verkehrswende.

 

Bericht CBS News über den ersten Earth Day 1970:

Ein Beitrag von Johanna Sackel.
Umwelthistorikerin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Zeitgeschichte.