(Un-)gerechtigkeit in den Bildungschancen von Kindern in Deutschland – Ein (nie) endendes Thema?

Der am 19. April 2023 veröffentlichte ifo-Bericht „Ein Herz für Kinder“- Chancenmonitor: Wie (un-)gerecht sind die Bildungschancen von Kindern aus verschiedenen Familien in Deutschland verteilt? (https://www.ifo.de/publikationen/2023/aufsatz-zeitschrift/der-ifo-ein-herz-fuer-kinder-chancenmonitor) ist die aktuellste Publikation im Hinblick auf die Bildungsgerechtigkeit in Deutschland. Doch wie stark sind die Einflüsse des familiären Hintergrunds in Bezug auf Einkommen der Eltern, Bildungshintergrund der Eltern, Familienverhältnisse und Migrationshintergrund wirklich? 

Henning Möbius (Von Studierenden für Studierende)

Die Geburt eines Kindes ist der Startpunkt für das zukünftige Leben des Kindes. Das Kind kann jedoch nicht steuern, in welche Familienverhältnisse es geboren wird. Doch durch den familiären Hintergrund werden Weichen für den Werdegang der nächsten Jahre gestellt. Besonders problematisch sind diese Ungleichheiten des Aufwachsens, wenn diese sich auf den Bildungsbereich auswirken, da dieser Einfluss auf den Erfolg am Arbeitsmarkt und im gesellschaftlichen Leben aufweist. Im Konkreten bedeutet dies, dass Bildungserfolg vom familiären Hintergrund abhängt.

Die Datenbasis des Chancemonitors aus dem Jahr 2019 des Mikrozensus bildet die Datenlagen, auf der der aktuelle ifo-Bericht verfasst wurde. Eine Stichprobe von 50.000 Kindern und Jugendlichen im Alter von zehn bis achtzehn Jahren lieferte Informationen über den Gymnasialbesuch und ihren familiären Hintergrund. Als Indikator des familiären Hintergrundes wurde auf die Merkmale Elternteile mit Abitur, Haushaltsnettoeinkommen in Euro, Migrationshintergrund und alleinerziehend zurückgegriffen. In der Veröffentlichung wurde die Wahrscheinlichkeit eines Gymnasialbesuches als Ausdruck von Bildungschancen genommen. Die Autor:innen des Berichts verweisen darauf, dass ein Gymnasialbesuch ein aussagekräftiges Maß für die wirtschaftlichen und sozialen Chancen eines Kindes darstellt.

Die Autor:innen konnten in ihrem Bericht feststellen, dass die Unterschiede teilweise enorm sind. Exemplarisch ist zu nennen, dass die Wahrscheinlichkeit das Gymnasium zu besuchen, bei einem Kind aus einem alleinerziehenden Elternhaus ohne Abitur aus dem unterstem Einkommensviertel und mit Migrationshintergrund bei 21,5 % liegt. Im Gegensatz dazu liegt die Wahrscheinlichkeit des Gymnasialbesuches bei einem Kind mit zwei Elternteilen mit Abitur aus dem oberen Einkommensviertel und ohne Migrationshintergrund bei 80,3%.

Je nach Betrachtung der Merkmale konnten teilweise Unterschiede von bis zu 63,1 Prozentpunkten identifiziert werden, wodurch die Bildungschancen nachweislich ungleich verteilt sind. Diese Ergebnisse konnten bestätigen, dass im Vergleich zu 2009 zwar ein Anstieg um 5,8 Prozentpunkte in der Quote des Gymnasialbesuches zu verzeichnen ist, diese Quote sich aber nicht über alle Kategorien gleichermaßen verteilt.

Die Autor:innen kommen zur zentralen Erkenntnis, dass Bildungshintergrund der Eltern, Einkommen und Alleinerziehendenstatus besonders starke Einflussfaktoren sind. Hingegen ist der Status des Migrationshintergrundes nicht so stark zu bewerten.

Um die Chancengleichheit zu erhöhen, schlagen die Autor:innen sechs Ansatzpunkte vor:

  1. Frühkindliche Bildungsangebote für benachteiligte Kinder ausbauen
  2. Familien benachteiligter Kinder bei der Erziehung unterstützen
  3. Die besten Lehrkräfte an Schulen mit vielen benachteiligten Kindern bringen
  4. Nachhilfeprogramme für benachteiligte Kinder früh und kostenfrei anbieten
  5. Die Aufteilung auf unterschiedliche weiterführende Schulen verschieben
  6. Mentoring-Programme für benachteiligte Kinder fördern

Alle vorgeschlagenen Ansatzpunkte berufen sich auf Erkenntnisse aus Studien, sodass ihre Wirksamkeit empirisch belegt ist. Beispielsweise wird im sechsten Punkt auf die Wirksamkeit des Mentoring-Programms „Balu und Du“ verwiesen, welches auch von der Uni Paderborn unterstützt wird (https://kw.uni-paderborn.de/institut-fuer-erziehungswissenschaft/arbeitsbereiche/historisch-systematische-und-vergleichende-erziehungswissenschaft/projekte/balu-und-du).

Link zum vollständigen Bericht: https://www.ifo.de/publikationen/2023/aufsatz-zeitschrift/der-ifo-ein-herz-fuer-kinder-chancenmonitor