„Dort anfangen, wo andere aufhören.“

Für Ex-Polizist Carlos Benede, Mitgründer des 2012 entstandenen Vereins „Weitblick-Jugendhilfe e.V.“, ist dieser Leitsatz fester Bestandteil seiner Einrichtung im bayrischen Dachau. Der Verein eröffnet Kindern und Jugendlichen, die als „Systemspringer“ abgestempelt und in anderen Jugendhilfeeinrichtungen ausgeschlossen wurden, eine Chance, ein Zuhause zu finden und unterstützt sie dabei Selbst- und Sozialverantwortung zu entwickeln. Oft ist es ihre letzte Anlaufstelle. Die gewählten Methoden von Carlos Benede unterscheiden sich sehr von denen gewöhnlicher Jugendhilfeeinrichtungen. Benedes Hilfeeinrichtung setzt auf offene Strukturen und bietet den Kindern und Jugendlichen viel Freiraum.

Nicolas Dülme (Von Studierenden für Studierende)

Der Verein „Weitblick-Jugendhilfe e.V.“ wurde von zwölf erfahrenen Pädagog:innen, Polizeibeamt:innen und Jurist:innen gegründet. Spiegel TV bietet in einer aktuellen Reportage vom 5. Dezember 2022 exklusive Einblicke, wie Jugendliche abseits der üblichen Heimstrukturen in der Einrichtung Halt finden (vgl. https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/wie-ein-ex-polizist-jugendliche-von-der-schiefen-bahn-abbringt-a-06f04e06-aad9-4ce9-8ab7-6d29e57da836).

Dabei werden einzelne Schicksale von Jugendlichen vorgestellt:

Einer davon ist der 15-jährige Dennis, der zuvor aus mehreren Kinderheimen und Hilfeeinrichtungen suspendiert wurde und durch sein regelverletzendes Verhalten auffällig gewesen ist. Seine Schullaufbahn wurde aufgrund häufiger Ausraster und Konflikte abgebrochen – er gilt als „unbeschulbar“. In der Einrichtung von Benede wird dem 15-jährigen keine Schulpflicht aufgedrückt. Er absolviert stattdessen ein Praktikum in der vereinseigenen Schreinerei. Hier wird ihm erstmal die Möglichkeit geboten, durch Geschick und nicht durch Ärger aufzufallen.

In seiner Schulzeit litt David unter einer Lese-Rechtschreibschwäche und damit einhergehenden Versagensängsten. In der Schreinerei werden dem Jugendlichen Perspektiven eröffnet: oftmals wird ihm und weiteren Jugendlichen das erste Mal Vertrauen entgegengebracht. Sie dürfen Verantwortung übernehmen und fühlen sich in ihren Aufgaben bestätigt. Neben dem Praktikum besteht zusätzlich die Option, eine entsprechende berufliche Ausbildung in der Schreinerei zu absolvieren.

Viele der Jugendlichen sind vorbestraft, stammen aus zerrütteten Familienverhältnissen, litten unter häuslicher Gewalt oder Drogenkonsum. Wo viele Pädagogen:innen und Therapeuten:innen längst aufgeben haben, fängt die Arbeit von Carlos Benede erst an. Er kann sich gut mit den „Außenseitern der Gesellschaft“ identifizieren. Der ehemalige LKA-Ermittler und studierter Sozialpädagoge übernimmt die Vorbild- und Vaterfunktion für seine Jugendlichen. Er versucht sie mit all ihren Schwächen und Stärken zu respektieren und ihnen, auf ihre Persönlichkeit abgestimmte Angebote zu bieten (vgl. https://weitblick-jugendhilfe.de/). Dabei wird er von einem Team aus professionellen Heilerziehungspfleger:innen, Sozialarbeiter:innen, Pädagog:innen, Psycholog:innen und einem Schreinermeister sowie Gesell:innen unterstützt. Das gewagte Konzept, das sich durch seine offenen Strukturen von anderen Einrichtungen abgrenzt, erweist sich als erfolgreich.

Benede und sein Team ermöglichen Jugendlichen den Einstieg in die Berufswelt und integrieren sie zurück in das familiäre Umfeld. Für den Erfolg verantwortlich ist vor allem das Alleinstellungsmerkmal, dass sich der Weitblick-Jugendhilfe-Verein von Personen aus verschiedenen Berufsgruppen, die mit Jugendlichen arbeiten oder zu tun haben, gegründet wurde. Wie der Vereinsname belegt, können dadurch Aspekte aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und aktive Kooperationen zu beruflichen Einrichtungen hergestellt werden.