Die Zukunft von Förderschulen – „Warum wollen eigentlich alle, dass diese Schulform abgeschafft wird?“

Die gemeinsame Beschulung von Lernenden mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf, kurz Inklusion genannt, ist ein in der breiten Öffentlichkeit seit langem, strittig diskutiertes Thema. Gerade für uns als angehende Sonderpädagog:innen ist dies im Hinblick auf unsere spätere berufliche Profession eine relevante Thematik. Momentan haben die Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf noch die Wahl, ob sie ihr Kind auf eine Förderschule oder auf eine Regelschule schicken. Doch die parallele Aufrechterhaltung beider Systeme ist auf lange Sicht nicht angedacht. Der Anteil der Lernenden mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die eine inklusive Schule besuchen, steigt stetig. Von den 24.020 Schüler:innen aus Niedersachen, welche einen diagnostizierten Unterstützungsbedarf im Förderschwerpunkt Lernen besitzen, werden inzwischen 19.586 inklusiv beschult.  Aber gibt es auch Gründe, warum sich Eltern für den Erhalt von Förderschulen stark machen? (https://www.spiegel.de/panorama/bildung/niedersachsen-warum-eltern-sich-fuer-den-erhalt-von-foerderschulen-starkmachen-a-71c98e0f-d81c-4abe-b4c6-84a018bef574).

Charlotte Sprenger (Von Studierenden für Studierende)

Seit 2013 haben die Eltern in Niedersachsen das Recht zu entscheiden, ob ihre Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Förderschulen oder im inklusiven Unterricht an Regelschulen unterrichtet werden sollen. Nun ist es im Gespräch, die Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen bis zum Jahr 2028 komplett abzuschaffen, da aus wissenschaftlicher Sicht nichts für den Erhalt dieser Schulform sprechen würde. Wie der Spiegel berichtet, sei es laut Rolf Werning, Professor für inklusive Schulentwicklung an der Leibniz Universität Hannover, durch Studien empirisch nachgewiesen, dass Lernende an Förderschulen hinter ihren möglichen Entwicklungen zurückbleiben. „Die Förderschule ist eigentlich ein Instrument zur Beeinträchtigung der Lernentwicklung“. Die Beschulung in heterogenen Lerngruppen hingegen bringe nachweislich viele Vorteile mit sich und führe zu einer Leistungssteigerung aller Kinder ((https://www.spiegel.de/panorama/bildung/niedersachsen-warum-eltern-sich-fuer-den-erhalt-von-foerderschulen-starkmachen-a-71c98e0f-d81c-4abe-b4c6-84a018bef574).

Eltern und Schüler:innen fordern dagegen vorerst den Erhalt der Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen. Eine jetzige Abschaffung der Förderschulen wäre fatal. Schließlich werde die Inklusion an vielen Regelschulen noch nicht gut genug umgesetzt. Betroffene berichten von psychischen Folgen, welche sich durch die inklusive Beschulung ergaben. Zudem seien die Regelschullehrkräfte mit Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf oftmals überfordert. Die Eltern eines siebzehnjährigen Schülers, welcher eine inklusive Schule besucht, berichten, dass sich Lehrkräfte weigerten für ihren Sohn differenzierte Aufgaben zu stellen. Der achtzehnjährige Inklusionsaktivist Luk Bornhak, welcher zunächst eine inklusive Schule besuchte und später auf eine Förderschule wechselte, berichtet von seinen eigenen Erfahrungen. Er ist der Meinung, dass für manche Schüler:innen mit Förderbedarf der Besuch von Förderschulen sinnvoller sei. Einigen Schüler:innen falle das Lernen in kleineren Klassen leichter. So solle weiterhin die Möglichkeit bestehen, zwischen einer inklusiven Schule oder einer Förderschule zu wählen.

Professor Werning sieht diese Erschwernisse in der Lernentwicklung der Schüler:innen nicht als Folge der Inklusion. Er betont, es müsse vor allem an der pädagogischen Kultur sowie dem Leistungsverständnis der inklusiven Schulen gearbeitet werden. Statt der sozialen Bezugsnorm solle hingegen die individuelle Bezugsnorm in den Fokus rücken. Generell müsse die Inklusion noch weiter vorangebracht werden. Dies wäre jedoch nicht möglich, wenn die Förderschulen auf Dauer bestehen bleiben, da so nicht genügend Ressourcen für die Regelschulen zur Verfügung gestellt würden.

Ob die Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen auf Dauer erhalten bleiben oder final innerhalb der nächsten sechs Jahre auslaufen, hängt von der Landtagswahl in Niedersachsen im Oktober diesen Jahres ab. Auch zwischen den Parteien liegen zu diesem Thema große Meinungsverschiedenheiten vor.