Inklusion – Wunschdenken gegenüber der täglichen Praxis in Schulen

Inklusion ist gerade in der pädagogischen Praxis ein viel diskutiertes Thema. Egal ob in Kindergärten oder in den Schulen, überall wird darüber gesprochen. Doch die wenigsten Institutionen können Inklusion auch erfolgreich wahrnehmen und durchführen. Aber warum eigentlich nicht? Ist das Konzept Inklusion gescheitert?

Genau zu diesem Thema gaben zwei Lehrerinnen ein Interview für die Zeitschrift Stern (https://www.stern.de/gesundheit/lehrerinnen-ueber-inklusion—es-gibt-gute-gruende–warum-diese-kinder-ausrasten–8745100.html).

Laurina-Alea Burgmer (Von Studierenden für Studierende)

Interviewt wurden eine Sonderpädagogin und eine Grundschullehrerin, die beide Schüler:innen mit und ohne sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf im Gemeinsamen Lernen unterrichten. Kerstin Ruthenschröer (Grundschullehrerin) ist zudem Sprecherin des Jungen VBE (Verband Bildung und Erziehung). Die beiden Lehrerinnen erleben in ihrem pädagogischen Alltag alles andere als ein funktionierendes Konzept von Inklusion. Doch beide sind sich einig: Das Ziel der Inklusion ist richtig und wichtig, nur der aktuelle Weg ist fehlerhaft.

Gerade Kinder, die sich mit dem Lernen schwertun, bekommen oft zu hören, dass sie nicht so gut wie die anderen seien und niemals der Erste sein werden. Die Kinder leiden massiv darunter und entwickeln ein negatives Selbstkonzept. Was diese Kinder aber brauchen ist vor allem ein enge Bindung zu Lehrkräften, viel Zeit, und wichtiger noch, intensive Kontakte zu Gleichaltrigen, so berichtet die Sonderpädagogin Lea Schiller. Nur leider besteht da meist ein großes Defizit.

Wenn diese Kinder in einer Regelschule unterrichtet werden, sind sie oft nicht in die Klassengemeinschaft integriert und Einzelgänger. Sind sie auf einer Förderschule, werden sie von anderen Kindern ohne sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf getrennt und sind nicht integriert. So haben diese Kinder wenig Kontakt zu Gleichaltrigen.

Insgesamt lassen sich bereits hier deutliche Schwierigkeiten erkennen, die dazu führen, dass Inklusion in der Praxis kaum umsetzbar ist. Hinzu kommt, dass in einer Klasse mit ca. 28 Kindern, wovon acht Kinder einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben, nur eine Lehrkraft zur Verfügung steht, die nicht optimal auf alle Kinder eingehen kann. Das Hauptproblem besteht so aus mangelndem Personal. Auch die Sonderpädagog:innen sind davon betroffen, da diese oft von einer Klasse in die Nächste wechseln. Meist sind die sonderpädagogischen Lehrkräfte für die gesamte Schule zuständig, wodurch sie den Kindern nur wenige Stunden in der Woche zur Verfügung stehen. Dadurch können die Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf meist nur eine Stunde pro Woche mit der Sonderpädagogin oder dem Sonderpädagogen arbeiten. In Förderschulen sieht das ganze anders aus. Dort gibt es meist ein doppelt besetztes Lehrkräfteteam, welches in kleinen Klassen die Kinder einzeln und separat fördern kann, so berichtet Lea Schiller. Dieser im ersten Blick erscheinende Vorteil stellt jedoch einen Nachteil dar. Die Kinder können individuell gefördert werden, jedoch sind sie in Förderschulen von Kindern ohne sonderpädagogischem Förderbedarf getrennt und können keine Kontakte zur sozialen Teilhabe aufbauen.

Gruppengröße und Klassenstärke der verschiedenen Schulformen sind somit nicht vergleichbar und machen deutlich, wie schwer es unter bestimmten Rahmenbedingungen ist, auf Schüler:innen mit Unterstützungsbedarf in der (Lern-)Entwicklung einzugehen. Mangelnde finanzielle Mittel für unterstützendes Personal wie z.B. Integrationshelfer:innen, um die Kinder besser unterstützen zu können sowie komplizierte und umfangreiche Anträge, bieten keine Erleichterung oder Unterstützung für Lehrkräfte.

So befindet sich die Entwicklung von Inklusion derzeit im Stillstand. Dass Inklusion nicht gescheitert ist liegt daran, dass Lehrkräfte mit großem Engagement ihr Möglichstes tun.