Die Corona Pandemie und ihre Impfung – Ein Zeugnis gescheiterter Inklusion?

Deutschland und Inklusion? Das scheint bis jetzt noch keine Erfolgsgeschichte zu sein. Diesen Eindruck kann man bekommen, wenn man ein Interview, welches am 09. Februar 2021 in der Süddeutschen Zeitung erschien, liest. Die Zeitungsverlegerin hat sich in Person von Edeltraud Rattenhuber mit einem Betroffenen, Raúl Krauthausen, der aufgrund einer Glasknochenkrankheit auf den Rollstuhl angewiesen ist, getroffen und ihn zu der Lage in der Corona-Pandemie und speziell auch zur Impf-Situation befragt.

Raúl Krauthausen, der seit Jahren für die gesellschaftliche Teilhabe behinderter Menschen kämpft und dazu einige soziale Projekte initiiert hat, gehört eigentlich zur vulnerablen Gruppe. Aussicht auf eine baldige Corona-Impfung hat er trotzdem nicht. Woran das liegt? Krauthausen selbst stellt dazu ein paar interessante Thesen auf (https://www.sueddeutsche.de/politik/coronavirus-corona-impfung-behinderte-interview-1.5200264). Lest selbst!

Nico Weller (Von Studierenden für Studierende)

Dass es Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft teilweise immer noch schwer haben, ist kein Geheimnis. Dass die Corona-Pandemie vielen Familien behinderter Menschen das Leben allerdings noch deutlich schwerer macht, bekommen viele Menschen aber gar nicht mit. Raúl Krauthausen, der im Rollstuhl sitzt, befindet sich seit März 2020 fast ausschließlich zu Hause. Seinen Job, durch den er normalerweise sehr viel innerhalb Deutschlands unterwegs ist, kann er schon seit langem nur aus dem Home-Office ausüben. Er habe das Privileg, was viele andere nicht haben und beziehe weiter sein volles Gehalt. Einkaufen geht er auch schon länger nicht, lässt sich seine Einkäufe liefern. Doch schon hier kann man erkennen, dass Raúl Krauthauser das Glück hat in Berlin zu wohnen. Menschen, die sich in ähnlicher Lage befinden wie er, allerdings weiter auf dem Land wohnen, haben kaum eine Möglichkeit sich ihre Einkäufe liefern zu lassen, was dazu führt, dass sich gefährdete Menschen (sofern keine Angehörigen helfen können) selbst der Gefahr aussetzen müssen und in den Supermarkt zum Einkaufen gehen.

In dieser kleinen Tatsache offenbart sich ein Gedanke, der das Grundproblem laut Krauthausen, enthält. Das Kernproblem scheint eine veraltete Sichtweise zu sein, nach der Menschen mit Behinderung oder sehr alte Menschen in dafür vorgesehene Einrichtungen bzw. Heime kommen. Menschen mit Behinderung oder ältere Menschen, die nicht in einer Einrichtung dafür leben, werden dementsprechend schlichtweg vernachlässigt und weniger bis gar nicht berücksichtigt und vergessen. Im Vergleich zu Menschen, die in Heimen wohnen, erhielten privatlebende eingeschränkte Personen weder Masken noch Desinfektionsmittel. Alles muss aus eigener Tasche bezahlt werden. Und noch viel schlimmer: Aussicht auf eine Impfung besteht für sie nicht!

An dieser Stelle kann man festhalten, dass Deutschlands Inklusionsvorhaben bis dato tatsächlich nicht wirklich von Erfolg gekrönt sind, denn Inklusion bedeutet die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für ALLE. Ein Großteil der Menschen mit Behinderung lebe zu Hause, so Krauthausen. Es muss also gelten, dass Personen mit Behinderung auch außerhalb von Pflegeeinrichtungen die Leistungen erhalten, die ihnen zustehen. Sei es die Impfung oder die Bereitstellung von Masken und Desinfektionsmittel. Nur weil sie die Kraft und den Willen besitzen ihr Leben und den Alltag eigenständig zu regeln, dürfen sie dadurch keine Nachteile erhalten!

Abschließend lässt sich Raúl Krauthausens lobenswerte Einstellung resümieren: Er will keineswegs, dass Menschen mit einer Behinderung oder gar er persönlich priorisiert werden. Er spricht sich für eine gezielte Einzelfallbetrachtung jeder Person durch Fachärzt*innen aus – Amtsärzt*innen zieht er nicht in Betracht, da diese primär nach Aktenlage handeln. Anhand familiärer Situationen soll abgewogen werden, wann wer geimpft werden sollte und welche Angehörigen mit einbezogen werden sollen, um eine möglichst effiziente Impf-Strategie zu entwickeln. Aus strategischer Sicht sicher ein riesiger Aufwand, aus moralischer Sicht aber sicherlich ein sehr guter Ansatz.

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