Alltagsrassismus – der „verdeckte“ Rassismus

Im Jahre 2019 wurde von dem Bundesministerium in Deutschland angegeben, dass 22.342 politisch motivierte Straftaten von rechtsextremen Personen ausgeführt wurden und somit um 9,4 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind (vgl. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat & Bundeskriminalamt 2020, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2020/pmk-2019.pdf?__blob=publicationFile&v=8).

Zudem gibt es selbst in Deutschland sogenannte ‚No Go Areas‘ für People of Color, wo die „Wahrscheinlichkeit, einen rassistischen Übergriff zu erleben, sehr hoch ist“ und daher besser zu meiden sind,  so Tupoka Ogette in ihrem 2017 erschienenen Buch ‚exit RACISM – rassismuskritisches denken lernen‘, 2. Auflage, Münster: UNRAST-Verlag, Seite 62. Diese Zahlen und dieser Sachverhalt zeigen auf, dass Rassismus immer noch ein Thema in Deutschland ist. Aber: Jede*r sollte ihr bzw. sein Verhalten gegenüber Menschen reflektieren, denn das Thema Rassismus kann man nicht in die politisch „rechte“ Ecke schieben und sich selber nicht mehr damit auseinandersetzen.

Rassismus wird (re-)produziert – Tag für Tag!

Larissa Marks (Von Studierenden für Studierende)

Oft wird das Thema Rassismus tabuisiert. Niemand möchte darauf angesprochen werden, dass eine Aussage oder eine Handlung von ihr oder ihm rassistisch ist. Dennoch ist es so, dass viele von uns sich alltäglich rassistisch verhalten oder rassistische Aussagen wählen. Oft erkennt man Rassismus nicht als solchen, gleichwohl ist er allgegenwärtig.

Das Denken und die Sprache von uns Menschen basiert auf Klassifikationen, welche sich oft in Vorurteilen gegenüber anderen Menschen abbilden. Vorurteile sind hierbei Verallgemeinerungen und unzulässige Rückschlüsse auf gesamte Bevölkerungsgruppen. Diese starren und seit langem üblichen Einordnungen von Menschen haben laut Toan Quoc Nguyen (2014) die Funktion, „Menschen nach Ethnien, Nationen, Kulturen oder Rassenkonstruktionen in Schubladen“ einordnen zu können. Dabei werden „die Anderen“ oft mit negativ konnotierten Begriffen versehen, wodurch die eigene Person in der gesellschaftlichen Stellung positiver bewertet werden kann. Ein Beispiel dafür wäre, dass „die Anderen“ unzivilisiert und kriminell sind und „wir“ oder auch „ich“ zivilisiert und anständig sind bzw. bin (https://www.bpb.de/dialog/194569/offensichtlich-und-zugedeckt-alltagsrassismus-in-deutschland).

Die Reihe der Beispiele von Begrifflichkeiten in der deutschen Sprache, mit denen Einzelpersonen oder auch ganze Gruppen von Menschen kategorisiert und damit häufig auch ausgegrenzt werden, lässt sich nahezu beliebig fortsetzen. Im Deutschen gibt es viele verschiedene Begriffe, welche gewählt werden, um die Andersartigkeit und die Ungleichheit definieren zu können. Viele rassistische Fremdbezeichnungen wie beispielsweise ‚farbig‘ oder ‚Mischling‘ werden in Gesprächen verwendet, ohne sich mit der eigentlichen Bedeutung und Entstehungsgeschichte auseinanderzusetzen. In dem Sachbuch „exit RACISM – rassismuskritisches denken lernen“ von Tupoka Ogette aus dem Jahre 2017, 2. Auflage Münster: UNRAST-Verlag werden auf den Seiten 75 und 76 unterschiedliche Fremdbezeichnungen beschrieben und erklärt. Die Fremdbezeichnung ‚farbig‘ suggeriert demnach, dass es eine ‚normale‘ Hautfarbe gibt, welche nicht benannt werden muss, während alle anderen Hautfarben einer Bezeichnung bedürfen. Das Wort ‚Mischling‘ stammt aus dem Tierreich und bezeichnet die Nachkommen aus einer Paarung unterschiedlicher Rassen. Wird der Begriff auf Menschen übertragen, bedeutet dies eine Herabsetzung der Bezeichneten auf eine von vielen als niedriger betrachteten Daseinsform.

Neben den rassistischen Fremdbezeichnungen erläutert Ogette (2017, Seite 54f.) noch weitere unbewusste oder nicht reflektierte rassistische Aussagen und Handlungen. Die sogenannte Mikroaggression beschreibt subtile, übergriffige Äußerungen in der alltäglichen Kommunikation und in den alltäglichen Handlungen, beispielsweise das hektische Umklammern der eigenen Handtasche, wenn People of Color in der Nähe sind, aber auch Äußerungen oder Fragen, die voraussetzen, dass diese Personen nicht Teil des eigenen Normkonzeptes sind. „Du kannst aber gut deutsch“ oder „Woher kommst Du wirklich?“ oder „Ihr könnt immer so gut tanzen!“ sind einige Beispiele.

Ebenso zeigt sich ein institutioneller und struktureller Rassismus in Gesetzen, Schulbüchern, Kinderliteratur, Spielen und Liedern. People of Color werden hierbei als unheimlich, anders und unterlegen dargestellt („Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Niemand! Und wenn er kommt? Dann laufen wir!“). Text-Bild-Korrelationen verweisen auf unzulässig, verkürzte Kausalzusammenhänge von People of Color mit Themen wie Armut oder Kriminalität. Im Bereich der Legislative zeigt sich eine Toleranz, dass Polizisten verdachtsunabhängige Kontrollen bei bestimmten Personengruppen durchführen, die dazu dienen sollen, illegale Migration zu verhindern. Vorgesehen war zu dem Thema „Racial Profiling“ auch eine Studie von der Bundesregierung. Diese hat der Bundesinnenminister Horst Seehofer von der CSU am 05.07.2020 nicht genehmigt mit der Begründung, dass dies nicht sinnvoll erscheinen würde und in der polizeilichen Praxis verboten sei. Man spricht von „Racial Profiling“, wenn Polizisten Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihren äußerlichen Merkmalen oder ihrer Haarfarbe kontrollieren. Eigentlich sollte diese Studie dazu dienen, fundierte Kenntnisse über das Thema zu erlangen, sowie Fakten und Daten zu erheben, um mögliche Gegenmaßnahmen diskutieren zu können. Das Innenministerium teilte durch einen Sprecher mit, dass sie nur von Einzelfällen ausgehen, aber eine Umfrage bei der Polizei in verschiedenen Ländern zum Thema „Racial Profiling“ zeigten andere Ergebnisse (https://www.zdf.de/nachrichten/politik/racial-profiling-seehofer-studie-100.html).

Es müssen Orte geschaffen werden, an denen alle Menschen sich „willkommen, wertgeschätzt und sicher fühlen dürfen“ (Ogette 2017, Seite 106). Es gilt zu erkennen, dass Rassismus ein gesellschaftliches Problem ist und man daher immer wieder das System, das eigene Denken und Handeln, aber auch das verwendete Material in Kindergärten und Schulen rassismuskritisch hinterfragen muss.

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