Die ‚Löwen-Kids‘

Während des Corona-Lockdowns waren viele Schulen und öffentliche Einrichtungen geschlossen. Diese Umstellung wirkte sich nicht nur auf die schulischen Leistungen, sondern auch auf die sozialen Kontakte der Kinder und Jugendlichen aus. Viele wurden aus ihrem Alltag und ihren Routinen gerissen. Doch wie ergeht es den Kindern, die sich zusätzlich um ihre chronisch kranken Eltern kümmern müssen?

In der Regel steht der Betroffene im Vordergrund. Die Kinder und ihre Belastungen werden jedoch kaum berücksichtigt, obwohl sie häufig in ihrer Entwicklung und ihren Möglichkeiten eingeschränkt werden und meistens selbst zur Unterstützung und Pflege der Eltern beitragen. Niederländische Kinderpsycholog*innen von der Universität Amsterdam fanden anhand einer Metaanalyse heraus, dass Kinder von chronisch kranken Eltern ein erhöhtes Risiko für internalisierendes Problemverhalten zeigen und weniger externalisierende Verhaltensauffälligkeiten aufweisen (https://www.aerzteblatt.de/archiv/80251/Chronisch-Kranke-Eltern-Belastete-Kinder).

Wie genau reagieren Kinder unter diesen Stressoren und welche Möglichkeiten bieten sich, um ihnen zu helfen? Wenn Ihr mehr zu dem Thema und den ‚Löwen-Kids‘ wissen wollt, lest weiter!

Emilia Fischer (Von Studierenden für Studierende)

Allein in Deutschland gibt es hunderttausende Jungen und Mädchen, welche sich um ihre chronisch kranken Eltern kümmern. Ihre Eltern sind süchtig, haben Depressionen oder andere psychische Erkrankungen. Die Kinder sprechen nicht oft über ihre Situation zu Hause, da es ihnen peinlich ist oder sie ihre Eltern schützen wollen. Die Corona-Krise erschwert diese Situation nur noch mehr (https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/wie-es-kindern-chronisch-kranker-eltern-in-der-corona-krise-geht_aid-51672375).

Pädagogin Christina Pucks bietet in Düsseldorf seit Mitte März 2020 wöchentlich Treffen für Grundschüler*innen an, deren Eltern an einer sucht- oder psychischen Erkrankung leiden. Diese Gruppe an Grundschüler*innen nennt sie auch ihre „Löwen-Kids“. Für die erste Gruppenstunde seit Ausbruch der Corona-Krise gibt es eine Abmachung: Wenn man über das Thema spricht, bekommt man einen Strich. Jedoch wollen nur wenige Kinder über die Situation zu Hause reden. Pucks verdeutlicht, dass sie verstehen kann, weshalb die Kinder ungern über dieses Thema sprechen. Sie wollen auch mal eine gute Zeit haben. Viele Eltern hatten während der Phase der Kontaktbeschränkung Zusammenbrüche. Zwei depressive Väter hätten berichtet, dass sie immer anfälliger würden und Angst vor dem Virus hätten. Eines der Kinder würde wieder einnässen, ein Problem, welches eigentlich schon besser geworden war, wie die Pädagogin berichtete. Oft werden die Bedürfnisse der Eltern über die eigenen gestellt. „Je stärker eine soziale Isolation droht – unabhängig von Corona –, desto größer ist die Belastung für die Kinder“, erklärt Sabine Metzing, Professorin für Pflegewissenschaft an der Universität Witten/Herdecke. Metzing beschäftigt sich mit sogenannten pflegenden Kindern, welche hauswirtschaftliche oder Pflegeaufgaben in der Familie übernehmen, wie zum Beispiel putzen oder Medikamente verabreichen. Es wird geschätzt, dass ca. 500.000 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 19 Jahren pflegen. Aus dieser zusätzlichen Belastung ergeben sich Folgen wie Sorgen, Schlaflosigkeit, Ängste, Kopfschmerzen, Probleme in der Schule, sowie Rückenschmerzen von der Pflegearbeit.

Die Expertin führt an, dass jedoch nicht alle Kinder mit chronisch krankten Angehörigen leiden. Die Minderjährigen seien auch stolz auf ihre Leistungen. Die Folgen dieser Belastungen sind jedoch sehr bedenklich. Es würde den Kindern schon helfen, wenn es praktische Unterstützungsmöglichkeiten geben würde. Eltern könnten beispielsweise Hilfe für alltägliche Tätigkeiten wie dem Putzen der Wohnung bekommen. So etwas könnten Behörden und Hilfsverbände organisieren.

Die strenge Kontaktbeschränkung überbrückte Pucks über Videochats mit den Kindern, welche jedoch nicht wirklich funktionierten, da die Eltern meistens in Hörnähe saßen. Mittlerweile jedoch trifft sich die Pädagogin regelmäßig mit den Kindern und appelliert an die Eltern, ihren Kindern so früh wie möglich zu erklären, weshalb sie sich so verhalten, damit sich die Kinder nicht selbst die Schuld an der schwierigen Situation geben.

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