Aufgaben zu Block 8 von Bernd Schnittker

Aufgaben zu Block 8

 

Lese-Rechtschreib-Schwäche:

Realschullehrer Marcel Karasek über den Fall Timo

 

a)       Auf welche umschriebene Teilleistungsstörung kann man schließen? Welche Differentialdiagnosen sind zu beachten?

 

Timo ist elf Jahre alt und Schüler der fünften Klasse einer Realschule. Im Fach Deutsch fällt Timo immer wieder bei den Leistungsfestellungsprüfungen, wie ungeübten Diktaten oder Lückentextaufgaben, negativ auf, da er außerordentlich viele Fehler produziert. Seine Fehlerquelle hängt mit seinen Rechtschreibproblemen zusammen, da er viele Rechtschreibfehler macht. Seine inhaltlichen Leistungen waren dabei oftmals ansprechend. Beim Lesen gehört er zwar zu den langsameren und verrutscht auch mal in der Zeile, aber im Großen und Ganzen ist seine Leistung beim Lesen nicht Besorgnis erregend. Seine Schwierigkeiten mit der Schriftsprache drücken sich wie folgt aus: Falschreibung der Groß- und Kleinschreibung, ausgelassene Buchstaben, hinzugefügte Buchstaben, fehlerhafte Buchstaben. Insgesamt fällt auf, dass Timo über kein orthografisches Regelverständnis verfügt.

Mittlerweile wirken sich Timos Defizite auch auf seine anderen Fächer aus, wie beispielsweise der Schreibweise der englischen Vokabeln oder dem Verständnis mathematischer Textaufgaben.

Auffällig ist die Tatsache, dass Timo über eine rasche Auffassungsgabe und über elaborierte Sprachfertigkeiten verfügt. Nachdem Timo zuvor noch freiwillig und bereitwillig geübt hat, um seine Rechtschreibung zu verbessern, geht ihm die Motivation so langsam verloren.

 

Nach dem Text „Lese-Rechtschreibschwäche“ von Gasteiger Klicpera & Klicpera liegt bei Timo nicht zwingend eine kombinierte Lese-Rechtschreibstörung vor, da dafür seine Fähigkeiten im Lesen nicht deutlich hinter der vom Alter erwartenden Leistung zurückbleibt. Somit könnte man eine isolierte Rechtschreibstörung diagnostizieren. Dass es sich bei Timo um eine Rechtschreibstörung handelt kann damit begründet werden, dass seine sonstigen schulischen Leistungen im Vergleich zur Rechtschreibung deutlicher besser sind.

Timo ist laut Aussagen seiner Mutter in der Grundschule nur durch stockendes Lesen anstatt vieler Rechtschreibfehler aufgefallen. Diese Aussage deckt sich mit den diagnostischen Leitlinien der ICD, die stockendes und fehlerhaftes Lesen als ein Störungsmerkmal auflisten.

Die Probleme von Timo beim Erlernen der Schriftsprache könnte man auch als erwartungswidrige Leistungsschwäche bezeichnen, weil trotz ausreichender Begabung und Intelligenz und der geeigneten Beschulung erwartungswidrig Schwierigkeiten beim Erlernen der Schriftsprache auftreten. Zudem spricht für diese Diagnose, dass Timo ein Schüler ist, der gerne lernt und über eine rasche Auffassungsgabe verfügt. Als Folge dieser erwartungswidrigen Leistungsschwäche könnte es nun zu einer Verminderung der Lernbereitschaft kommen. Durch den anhaltenden schulischen Misserfolg wird Timo demotiviert und seine Bereitschaft zum Lernen nimmt ab.

 

Folgende Differentialdiagnosen sind zu beachten. Zunächst sollten sensorische Beeinträchtigungen ausgeschlossen werden, wie beispielsweise Hör- und Sehschwierigkeiten, oder neurologische Schädigungen.

Zudem psychische Störungen ausgeschlossen werden. Darunter fallen Aufmerksamkeit- oder Hyperaktivitätsstörungen, die sich auf die Schulleistungen auswirken.

Nach Gasteiger Klicpera & Klicpera muss für eine Lese-Rechtschreib-Schwäche auch eine unangemessene bzw. offensichtlich ungenügende Beschulung ausgeschlossen werden.

 

 

b)       Welche diagnostischen Schritte sind als nächstes sinnvoll?

 

Nachdem eine LRS im Schulalter diagnostiziert wurde, sollten die Leistungsbereiche, die den Schülern besondere Schwierigkeiten bereiten, so präzise wie möglich ermittelt und isoliert werden, damit die Förderung maßgeschneidert auf individuelle Defizite zugeschnitten werden kann. Diese Ermittlung kann durch standardisierte Tests für das Lesen und Rechtschreiben erfolgen.

Jedoch ist die Erkennung von Schülern, die im Lesenlernen gefährdet sind, von großer Bedeutung, da sie schon frühzeitig gefördert werden können.

Die Diagnosestellung ist für die schulrechtlichen Konsequenzen mangelnder Lese- und Rechtschreibleistungen von Bedeutung, wenn es zum Beispiel um die Benotung und Versetzung des Kindes geht.

Im Rahmen eines förderdiagnostischen Ansatzes ist die Diagnose der LRS zweitrangig, im Mittelpunkt steht die Analyse der Lernvorrausetzung des Kindes, um den individuellen Förderbedarf des Kindes zu ermitteln.

 

 

c)       Welche Interventionsmaßnahmen bieten sich an?

 

Das Interventionsziel besteht darin, das Lesen und Schreiben des Kindes systematisch zu verbessern. Dazu gibt es folgende Interventionsmaßnahmen:

Die lautgetreue Lese- und Rechtschreibförderung von Reuther-Liehr bietet exakt ausgearbeitete Übungsstunden für lese- und rechtschreibschwache Kinder ab der 3. und 5. Klasse an. Da Timo in der fünften Klasse ist, wäre dieses Programm für ihn besonders relevant. Dieses Programm lässt in drei Grundprinzipien unterteilen. Einmal stehen die Betonung des silbenweisen Mitsprechens beim Schreiben und das Einüben des silbenweisen Lesens im Vordergrund. Des Weiteren beinhaltet das Programm von Reuther-Liehr die Analyse der lauttreuen Schreibweise von Wörtern. Zudem spielt die Unterstützung des Behaltens der Buchstaben-Laut-Zuordnung durch den Einsatz von Handzeichen für alle Buchstaben bzw. Phoneme eine große Rolle.

 

Der Kieler Lese- und Rechtschreibaufbau von Dummer-Smoch und Hackethal ist eine weitere Interventionsmaßnahme die für Timo geeignet wäre. Dieser Leselehrgang umfasst 60 Stunden und steigert in den kleinsten Schritten den Schwierigkeitsgrad der Übungen. Der Rechtschreibaufbau beginnt mit dem Üben lauttreuer Wörter, für die noch kein Regelwissen erforderlich ist, und ist vom Material her auf den Leselehrgang abgestimmt.

 

Eine der effektivsten Maßnahmen für Timo könnte das Marburger Rechtschreibtraining sein, da sich dieses an Schüler richtet, die bereits die Anfangsphase des Lesenlernens gemeistert haben. Nach Informationen des Lehrers von Timo, beherrscht dieser bereits die einfachen Phonem-Graphem-Zuordnungen und müsste im Behalten und Anwenden der orthographischen Regeln geschult und gefördert werden. Dies geschieht durch das systematische Vermitteln von Wissen über die wichtigsten Rechtschreibregeln.

 

Meiner Meinung nach ist der Schlüssel zum Erfolg jeder Interventionsmaßnahme, die kurzfristigen Erfolgserlebnisse für Timo, damit seine Motivation am Lernen wieder steigt und er wieder an Selbstvertrauen und Selbstsicherheit im Bezug auf seine Rechtschreibung gewinnt.

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