Auslese zum Anfang

Das Seminar ,,Vom Archiv zur Edition“, geleitet von Dr. Tilman Moritz, bereicherte im Aufbau der Sitzungen die Arbeit mit den Quellen, wie wir sie aus anderen Geschichtsseminaren kannten. Zu Beginn des Semesters wurde uns die theoretische Basis gegeben für unseren Umgang mit verschiedenen Quellensorten.
Die historischen Materialien aufzuschließen, sie im Beschreiben und Lesen in den Griff zu bekommen, war zunächst sehr anspruchsvoll, wurde jedoch durch praktische Hilfestellungen zusehends erleichtert. Nach Übungsstunden in der EAB und der Erarbeitung der eigenen Projekte sind wir nun in der Lage, Quellen nicht nur zu lesen und zu transkribieren, sondern die Ergebnisse auch editorisch aufzubereiten. Wir hoffen, dass wir Kommiliton:innen mit unserer Dokumentation Lust machen, ihre Kompetenzen ebenfalls entsprechend zu erweitern. Für uns hat es sich auf jeden Fall gelohnt!

Im Folgenden präsentieren wir unsere Auslese – auch um sie für uns und andere als Spur zu sichern. Nichts davon ist vollendet, alles mehr ein Anfang. Wie wir selbst überwiegend noch am Beginn des Geschichtsstudiums stehen, ist auch unsere hier gesammelte Arbeit ein erster Schritt und nicht das Ende der Reise. Jedes Ergebnis steht unter dem Vorbehalt, dass daran weitergearbeitet werden kann und muss.

Wir wünschen viel Spaß beim Spurenlesen!

Aus: Bernhard von Breidenbach: Peregrinatio in terram sanctam. Mainz 1486. EAB Paderborn, I 71. Foto: T. Moritz/G. Lenzen.

Schulterblick

Zu den Quellen der Veranstaltung

von Dr. Tilman Moritz

Am Anfang ist das Problem. Und das Problem steckt in der Quelle. Wie man es dort herauspräpariert, wird in jeder geschichtswissenschaftlichen Einführung, jedem Proseminar intensiv geübt. Der Weg ad fontes reicht allerdings oft nur bis zu Übersetzungen, Editionen und, schon im Ausnahmefall, zu online einsehbaren Druckwerken. Dass immer mehr Quellenbestände in digitalem, stets verfeinertem Format zugänglich gemacht werden; dass der Forscherblick sich weg von den ‚reinen Inhalten‘ hin zu den Materialitäten, Räumen und „Affordanzen“ verschieben soll; dass aber zugleich quellenkritische Kenntnisse und Fähigkeiten unter Studierenden, auch denen, die wissenschaftlich weitermachen wollen, beständig  abnehmen – das ist selbst schon ein altes Lamento. Überraschend ist die Entwicklung angesichts verschobener Kapazitäten eigentlich nicht. Wo sind Zeit (und Geld), das aufzuholen, es zu lernen und zu lehren?

Insofern habe ich mit der Übung „Vom Archiv zur Edition“ ein doppeltes Privileg genutzt: meine wirkliche Freiheit der Lehre am Historischen Institut einerseits, die Nähe und Offenheit der Erzbischöflichen Akademischen Bibliothek (EAB) andererseits. Beide Orte verbinde ich durch meine Forschungen – zum Machen und Schreiben von Geschichte im fürstbischöflichen Paderborn –, und deshalb lag es nahe, sie auch in der Lehre zusammenzurücken.

Praxisbezogen soll die Lehre sein. Also habe ich das Seminar an meinen eigenen Forschungsinteressen und -problemen entwickelt: an Fragen der Herstellung und Beschaffung, der Kosten und Mühen des Materials, des Schreibens, des Aufbewahrens in der Vormoderne, heute auch des Freilegens, des Lesbar- und Zugänglichmachens. Im Fokus stand dabei die Empirie. Das heißt zum einen die praktische Übung an historischen Schriften und Beschreibstoffen sowie im Umgang mit Originalen. Zum anderen die Anschauung – einschließlich Anfassen! – von Quellenbeständen vor Ort, in der EAB. Letzteres mündete schließlich in die eigenständige Auswahl und Auswertung von Beispielen, deren Resultate hier vorgestellt werde.

Im Sinne des „forschenden Lernens“ war mir besonders wichtig, die Arbeit nicht bloß über Aufträge zu organisieren, sondern Autonomie zu ermöglichen und dabei auch ‚Fehler‘ zuzulassen. Von rein formalen Korrekturen abgesehen, sind die Ergebnisse deshalb keiner abschließenden ‚Qualitätskontrolle‘ unterworfen worden. Damit soll dreierlei betont sein: erstens die Selbständigkeit der erarbeiteten Lösungen; zweitens, dass die zugrundeliegenden Kompetenzen durch das Seminar angeregt, aber keineswegs ausgereizt werden sollten; drittens schließlich die prinzipielle Unabgeschlossenheit geschichtswissenschaftlicher Erkenntnisprozesse, die ein Mit- und Weitermachen angehender Historiker:innen überhaupt erst möglich, ja notwendig macht.

Die Gemeinschaftsleistung wirkt also in beide Richtungen. Den Studierenden hat sie, wie hier zu sehen, die Augen geöffnet für die Herausforderungen und Chancen beim Aufspüren und Aufschließen des ‚rohen‘ Quellenmaterials. Dass sie das nicht als bloße Zumutung empfunden, vielmehr detektivischen Spaß an der harten Quellenarbeit entwickelt haben, war eine höchst lohnende Erfahrung, als Forscher wie als Dozent. Sie ist mir Antrieb, das Format auf jeden Fall fortzusetzen und weiterzudenken. Beide Perspektiven verbindet schließlich der Standort Paderborn, mit seiner Geschichte und den Orten, sie zu heben – gleichsam direkt vor unserer Haustür.