Positionierung

Altrichter und Posch (1998) definieren das Forschende Lehren im Rahmen der Aktionsforschung, in dem eine in unserem Fall, Lehrkraft aus ihrer beruflichen Praxis Probleme identifiziert, die aus ihrer Sicht einer Verbesserung bedürfen. Aus dieser Situation entsteht zunächst eine Fragestellung, bzw. ein Forschungsgegenstand, der nach wissenschaftlichen Kriterien und Abläufen (Bewertung der Untersuchungsideen, Untersuchungsplanung, Theorieteil, Untersuchungsdurchführung, Auswertung, Untersuchungsbericht[Bortz, J. / Döring, N. (2006)]) bearbeitet werden soll. Ziel dieser Untersuchung ist nicht nur das Aufdecken eventueller Missstände, sondern auch die Entwicklung entsprechender Handlungsanweisungen zur Verbesserung der betrachteten Situation. Die Handlungsanweisungen sollten nicht nur zur Verbesserung der Lehrkompetenzen, der jeweiligen Lehrkraft beitragen, sondern ebenfalls öffentlich zugänglich gemacht werden, um einen möglichst weiten Kreis anderer Lehrkräfte an den Ergebnissen teilhaben zu lassen. Somit geht meiner Meinung nach „Forschendes Lehren“ weiter als eine (Selbst)kritische Betrachtung einer Lehrkraft mit den Situationen im schulischen Alltag, die ebenfalls wünschenswert ist und wohlmöglich auch zu einem schnellen Zuwachs der individuellen Erfahrung führt. Für mich interessant ist der Punkt der Veröffentlichbarkeit bei dem Thema Forschendes Lehren. Dieser Veröffentlichbarkeit ist eine gewisse systematische Vorgehensweise geschuldet, der die Arbeitsweise an Hochschulen gerecht werden kann. Der Ausgangspunkt einer Lehrperson im Rahmen Forschendes Lehren ist meiner Ansicht nach zunächst eher auf den eigenen Handlungshorizont (die eigene Schule) beschränkt. Eine kritische Betrachtung er Ergebnisse in Bezug auf die Verallgemeinbarkeit ist an diesem Punkt von großer Wichtigkeit, sowohl vom Verfasser als auch vom Verwender. Altrichter und Posch verweisen in diesem Zusammenhang auf Elliot (1991), der vorschlägt, dass Lehrer ihre Erkenntnisse in bestimmten Medien wie z. B. Fallstudien formulieren und diese dann auf kollegialer Ebene mit anderen Lehrkräften diskutieren.
Da die Institution Berufskolleg für mich noch recht neu ist, ist es für mich persönlich wichtig zunächst erst einmal einen Blick für die Strukturen und Abläufe in der Schule zu bekommen. Dann ist es ebenfalls von Interesse zu schauen wo erfahrene Lehrkräfte Probleme sehen und wie sie diese einschätzen, um ein eigenes Gefühl für Problematiken an Berufskollegs zu entwickeln. An diesem Punkt könnte ein Vorteil der Praktikantensituation sein, relativ unvoreingenommen an Fragestellungen heranzugehen, mit denen sich ein erfahrene Lehrer ggf. schon arrangiert hat. So äußerte sich ein Lehrer in meinem O- Praktikum mir gegenüber dahingehend, dass er meinte, dass es unmöglich sei alle Schüler in einer Klasse „inhaltlich mitzunehmen“. Diese Aussage beinhaltet eine, sicherlich durch Erfahrungen, verfestigte Grundhaltung, die Praktikanten idealerweise „noch nicht“ haben und wenn das Konzept des Forschenden Lehrens im beruflichen Werdegang konsequent gelebt wird, auch niemals bekommen sollten.
Somit sehe ich Forschendes Lehren als Grundhaltung an, bei der sich Lehrkräfte kritisch mit sich selbst und den Situationen in ihrem beruflichen Umfeld auseinander setzten, Probleme bzw. Missstände identifizieren und diese nach wissenschaftlichen also idealerweise objektivierbaren Kriterien auswerten und Lösungsansätze erarbeiten. Ziel ist hierbei neben der Ausweitung der eigenen Kompetenzen eine kritische diskursive Auseinandersetzung mit den Kollegen, um sich zum einen von der eigenen subjektiven Sichtweise zu lösen und zum anderen Wissen zu verbreiten. Die eingangs genannte Verallgemeinbarkeit der Ergebnisse bzw. die Übertragbarkeit von Handlungsempfehlungen über Klassenverbände oder das jeweilige Berufskolleg hinaus stehe ich aus meiner derzeitigen Sicht kritisch bis skeptisch gegenüber, da allein die Auswahl und Erhebung einer entsprechenden Stichprobe die Kapazitäten eines Lehrer/Lehrerin überschreitet. Aus diesem Grund sehe ich auch qualitative Forschungsansätze die einen kleineren Stichprobenumfang benötigen und flexibler auf die entsprechenden Situationen anwendbar sind, eher als ein Instrumentarium des forschenden Lehrkraft.

Altrichter, H. / Posch, P. (1998): Lehrer erforschen ihren Unterricht:. Eine Einführung in die Methoden der Aktionsforschung. 3. durchgesehene und erweiterte Auflage. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt

Bortz, J. / Döring, N. (2006): Döring, N. (Hg.): Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. Heidelberg: Springer. 4. Auflage

7 Gedanken zu „Positionierung

  1. mengedoh

    Hallo Lukas,
    ich finde gut, wie Du die allgemeine Theorie auf Deine persönliche Situation anwendest! Auch gut fand ich, wie Du das forschende Lehren im Alltag angewendet sehen möchtest. Auch ich stehe der Veröffentlichung meiner Forschungsergebnisse kritisch gegenüber, es wäre für mich schon ein großer Erfolg, wenn ich denn positive Ergebnisse im Projekt erzielen sollte, diese im kleinen Kollegenkreis bekannt geben zu dürfen.
    Bis Donnerstag
    Mattes

  2. tyayo

    Hi Lukas,

    deine Defintion vom forschenden Lehren finde ich spannend, weil ihr zufolge Ereignisse und entsprechende Handlungsanweisungen im Kollegium veröffentlicht werden sollen. Ob das den Lehrern gefallen wird?! Schließlich werden hierbei auch persönliche Schwächen und Unzulänglichkeiten in der Berufsausübung offenkundig.

    Viele Grüße

    Patrick

  3. ikrein

    Hi Lukas,

    mir gefällt dein Gedanke, dass du als Praktikant erstmal unvoreingenommen an Fragestellungen und Situationen in der Klasse herangehst und meinst, dass diese Unvoreingenommenheit durch aktives forschendes Lehren bestehen bleibt. Ich fände es schön, wenn uns das allen gelingen würde und wir uns nicht mit gewissen Missständen einfach arrangieren, ohne daran konsequent zu arbeiten.

    Der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen für die breite Öffentlichkeit, stehe ich momentan auch kritisch gegenüber (lasse mich gerne aber eines Besseren belehren), finde diese auf Schulebene aber sinnvoll und auch einfach zu handhaben. Wichtig ist aber immer, dass mit solchen Daten sensibel umgegangen wird und dafür müssen Lehrer einfach mal etwas „lockerer“ werden. Schließlich geht es nicht darum Unzulänglichkeiten eines Lehrers aufzudecken, sondern um eine Weiterentwicklung aller Lehrer zu fördern.

    LG Irene

  4. kocky

    Hey Lukas,
    ich finde an deinem Beitrag die unvoreingenommene Sichtweise von dir als Praktikant am besten. Es gibt wahrscheinlich zu viele von den Lehrkräften die genauso denken wie der Lehrer, den du in deinem Orientierungspraktikum erlebt hast.
    Also…bleib so 😉

  5. rurban

    Hi Lukas,
    deinen Gedanken dass Lehrpersonen sich durch forschendes Lehren davor bewahren können sich mit Missständen oder Problemen im Unterricht zu arrangieren, finde ich klasse. Das ist sehr wahr finde ich aber nicht alle Lehrer sind leider bereit und motiviert genug, sich und den eigenen Unterricht zu kritisieren und daraus Konsequenzen zu ziehen. Ich denke deshalb sind gerade unvoreingenommene Personen (in unserem Fall Praktikanten) sehr wichtig um dort eine veränderte Sichtweise zu erreichen! Ich bin gespannt auf deine Ergebnisse!
    Lg
    Rebecca

  6. gkallenb

    Guten Tag Herr Zurawski,

    in Ihren Ausführungen beziehen Sie sich zunächst auf die theoretischen Grundlagen nach Altrichter/ Posch (Warum eigentlich die 3. Auflage?). Sprachlich wäre Ihnen die Darstellung sicherlich leichter gefallen, wenn Sie sich klarer an die Formulierungen der Autoren gehalten hätten. Grundsätzlich ist die Aussage jedoch so nachvollziehbar. Bedenken Sie bitte, dass es nicht nur „Missstände“ sind, die Gegenstand einer Forschungsfrage sind, sondern Handlungsfelder im Bereich der Schule, die durch ständige Reflexion und Weiterentwicklung innovativen Prozessen zugeführt werden können.

    Sie öffnen Ihren Blick von der Betrachtung der einzelnen forschenden Person zur Gruppe und damit zu einer Veröffentlichung von Ergebnissen. Dieser Ansatz ist gut und sinnvoll.

    Ihre Rolle als Praktikant klären Sie auch unter Berücksichtigung von Vorteilen, die daraus über eine gewisse Unvoreingenommenheit erwachsen. Sie nehmen Abstand von einer „Verfestigung von Grundhaltungen“ der Sie keinen Platz einräumen wollen. Das ist sicherlich ein guter Ansatz im rahmen einer Verstetigung des forschenden Lehrens.

    Ihre Skepsis gegenüber einer Übertragung von Handlungsempfehlungen über den Klassenverband bzw. das eigene Berufskolleg hinaus kann ich zwar nachvollziehen, gleichwohl bitte ich Sie, über die Rahmenbedingungen eines Transfers nachzudenken und damit gewonnene Ergebnisse einer vielfältigen und möglicherweise nachhaltigen Nutzung zuzuführen.

    MfG
    G. Kallenbach

    PS: Achten Sie bitte auf die Angabe von Seitenzahlen bei der Zitation.

Schreibe einen Kommentar