Aufgabenblock 6 – Notenvergabe

 a)  Welche Funktionen sollen Schulnoten erfüllen?

Schulnoten sind in ihrer Funktion nicht auf ein Moment beschränkt, sondern erfüllen gleichsam mehrere Aufgaben. Sie dienen sowohl als Maßzahlen für Leistung, als auch zur Orientierung, erfüllen ebenso eine Motivations-, wie Sozialisationsfunktion und subventionieren die Evaluation und Kontrolle von Arbeiten und deren Ergebnissen. Sie bieten die Entscheidungsgrundlage für Auslese und Berechtigungen, genauso wie ihnen eine entscheidende Rolle im Machtgefüge der Schule zukommt.

Was dies im Einzelnen bedeutet, soll im Folgenden noch etwas deutlicher werden: Die inhaltlichen Attribute der Leistung eines Schülers werden übersetzt in eine Zahl, eine vom Lehrer zuteilte Note. Dies spiegelt nun zwar nicht die inhaltlichen Kriterien wieder, erfüllt hier aber eine wichtige pädagogische Funktion der Rückmeldung, welche ein entscheidendes Moment des Lernens darstellt: Sie gibt Auskunft über erreichte, oder nicht erreichte Ziele, über den Leistungsstand eines individuellen Schülers oder gleich einer ganzen Klasse in Bereich eines Faches, oder ihrer fächerübergreifenden Gesamtleistung, die dann sowohl die Schüler selbst, als auch Eltern und Lehrer nachvollziehen können.

Auf diesem Wege findet ein Akt der Kommunikation statt. Und das rekurriert nicht nur auf das hierarchische Beziehungsgefüge zwischen Lehrer und Schüler (der Lehrer als anleitende Instanz bewertet die SuS) , sondern bedient generell den Kommunikationsaspekt, indem durch die Notenvergabe sowohl Lob, als auch Ansporn oder Tadel ausgedrückt werden kann, die der Benotete dann von der Ziffer in die jeweilige Aussage dekodieren kann.

 

b)  Inwieweit erfüllen Schulnoten die Testgütekriterien?

Zunächst sei festgehalten, dass es sich bei Noten ganz oberflächlich betrachtet um Schätzurteile zu Leistungen handelt. Sie sind dabei jedoch nicht unbedingt Messinstrument, da es ist immer ein Mensch ist, der seiner Beurteilung in einer Note zum Ausdruck bringt. Die Qualität des Urteils steht dabei in Abhängigkeit zu der Qualifikation zur Beurteilung, also vom behandelten Gegenstand, dem Vorgehen des Lehrer (schließlich befinden wir uns im Aktionsfeld Schule), seinen Kriterien und davon, wie gut er die Schüler kennt.

Bereits hier könnte man infrage stellen, wie hoch die Messqualität von Schulnoten tatsächlich ist, da Bewertungswege sehr unterschiedlich ausfallen können. Gleiche Leistung kann durch unterschiedliche Lehrer auch durchaus unterschiedlich benotet werden. Zumindest klassenintern lassen sich aber auf diesem Wege Vergleiche zwischen Schülern und deren Leistungen ziehen – klassen-, bzw. schulübergreifend gestaltet sich diese Verfahren jedoch weitaus schwieriger. Darin liegt das Ideologie- und Legitimationsproblem von Schulnoten und die Begründung, warum sie nur bedingt als Testgütekriterien einsetzbar sind. Man wird mit ihrer Anwendung stets nur einen groben Referenzrahmen zur Beurteilung erhalten.

Desweiteren mangelt es dem schulischen Benotungssystem an Objektivität und Validität – den wohl mitunter entscheidendsten, unbedingt erforderlichen Testgütekriterien. Besonders problematisch wird es, wenn die Benotung durch Urteilsfehler belastet und ihre Aussagekraft durch sachfremde Einflüsse beeinträchtigbar wird. Für derartige Fälle ließe sich nur dann eine Verbesserung erzielen, wenn die Benotung in ihren Kriterien an sich inhaltlich klarer ausdifferenziert wäre, und dies insbesondere auf dem Gebiet der Leistungsbeurteilung.

Kritiker würden, zur Distanzierung der Noten von wissenschaftlichen Tests wohl anführen, dass erstgenannte auf unterschiedlich gehandhabten, subjektiven, instabilen, beeinflussbaren Vergleichs- und Schätzungsvorgängen bestehen. Um Messfehler dieser Art zu umgehen, müssten Lehrer allerdings die von ihnen verteilten Noten als tatsächlich begründete, aber subjektive Schätzungen klassifizieren, dies hingegen würde ihre Qualifikation als Beurteilende ggf. infrage stellen.

 

c)  Auf Grundlage von Aufgaben a) und b): Inwieweit erfüllen Schulnoten die Ihnen angedachten Zwecke? Beschreibe für mindestens eine Funktion eine aus Deiner Sicht bessere Alternative.

So sehr Felix Winter sich auch darauf versteht, die Vergabe von Schulnoten mit vielen, aber doch recht inhaltsleeren Worten zu kritisieren, kann ich dennoch nicht anders, als das Benoten schülerischer Leitung als durchaus zweckhaft zu empfinden.

Ihre Verteilung durch den Lehrer mag vielleicht nicht den Testgütekriterien entsprechen, aber dieses ist, meinem Erachten nach auch nicht von oberster Priorität, da die Beziehung zwischen Schüler und Lehrer schließlich keine primär wissenschaftlich-hypothetische ist, sondern ein reziprokes  Personengefüge, bei dem aus der personalen Interaktion heraus die Bewertung der Schüler erfolgt. Ohne Kommunikation keine Rückmeldung über die vorliegenden Leistung, ohne Rückmeldung keine Veränderung oder Aufrechterhaltung der Arbeitsweise eines Schülers. Jedes Individuum benötigt Responsion zur eigenen Bestätigung, oder zum Erkennen gemachter Fehler.

Besonders Winters Argumentation, die Benotung nicht ausreichender Leistung könnte das Selbstwertgefühl der Schüler beeinträchtigen und sich negativ auf ihre Gefühlswelt auswirken, halte ich für ausgesprochen redundant. Da gerade in der heutigen Zeit, die Klassen sehr häufig eine starke Vermischung von Leistungsstufen und – und das ist in keiner Weise unbedeutend – Ethnien aufweisen, erschwert sich die Aufgabe des Lehrers, die Unterrichtsinhalt allen Schülern in gleichem Maße zu vermitteln. Und wenn Herr Winter ehrlich zu sich selbst wäre, müsste er sich eingestehen, dass es durchaus auch Schüler gibt, die einfach keine Motivation zur Leistungserbringung haben und demzufolge dann nicht der „Willkür“ des Lehrers ausgesetzt sind, sondern schlichtweg das in Form einer Zahl, Schwarz auf Weiß, quittiert bekommen, was sie erbracht haben – nichts.

Es gibt natürlich auch solche, denen nicht die Motivation fehlt, sondern das Verständnis der Arbeitstechniken (Ja, ich war auch nicht gut in Mathe, obwohl ich das gern gewollt hätte), aber eben dazu dient die Notenverteilung: Zur Erkenntnis eigener Stärken und Schwächen der Schüler. Zur Bestätigung der von ihnen erbrachten Leistung. Eine gute Zensur bedeutet, dass die Mühe sich gelohnt hat, die investierte Arbeit nicht umsonst war. Wenn doch, dann kann der Schüler auch daraus einen Nutzen ziehen: entweder, er weiß, dass die Fehlleistung an mangelnder Vorbereitung lag und fühl sich von nun an zu mehr Fleiß angespornt, oder er gewinnt eine Ausrichtung für zukünftige Prüfungssituationen. Salopp gesagt: Mit ‘ner Sechs in Mathe, studiere ich nicht BWL, aber das weiß ich dann wenigstens schon vorher!

Um nun doch noch der Forderung der Aufgabe c) gerecht zu werden, soll an dieser Stelle ein Vorschlag für eine Alternativregelung stehen:

Dass diese Methode nicht auch die Gefühle der Schüler verletzt, kann natürlich nicht gewährleistet werden, dennoch wäre vielleicht ein schriftlich ausformuliertes Zeugnis eine inhaltlich konkret auf die erbrachte Leistung rekurrierende Maßnahme, die sowohl dem Lehrer die Möglichkeit gäbe, zu begründen, warum seine Notenwahl so ausfiel, wie sie ausfiel, als auch dem Schüler mehr bietet, als nur eine Zahl, die es zu interpretieren gilt. Diese Weise sollte dem Kommunikationsaspekt gerecht werden und demzufolge auch Schüler und Lehrer gleichermaßen.

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