Aufgabenblock VIII

a)    Auf welche umschriebene Teilleistungsstörung kann man schließen? Welche Differentialdiagnosen sind zu beachten?

Im Fall des elf-jährigen Timo ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine Lese- und Rechtschreibschwäche zu diagnostizieren, wobei an dieser Stelle die kombinierte LRS von der isolierten zu unterscheiden wäre. Da sich aber das Lese-Rechtschreibdefizit von Timo nicht ausschließlich auf die Schreibfähigkeit beschränkt, sondern ebenfalls eine Beeinträchtigung seiner Lesefähigkeit vorliegt, können wir bei ihm mit einer kombinierten Schwäche rechnen.

Zu diesem Schluss kommt man leicht, betrachtet man die Merkmale seiner Störung, so wie Herr Karasek sie als Klassenlehrer schildert:

Was er bereits deutlich erkennt, sind orthographische Probleme, sowohl im Verhältnis zu Vokalen, egal ob lang oder kurz, Konsonanten, einfach, ebenso wie doppelt, aber auch große Fehleransammlungen in Diktat und Lückentext. Auch zeigt Timo im Unterricht eine Beeinträchtigung der Leseentwicklung, die sich in fehlerhaftem, langsamen, sowie mühevollem Lesen äußert. Anders als bei vergleichbaren Fällen, wirkt sich dies jedoch nicht auf das Leseverständnis des Schülers aus.

Fachlich diagnostiziert, erkennt man an seinem Beispiel eine Störung des phonologischen Bewusstseins. Timo mangelt es ganz offensichtlich an einer Einsicht in die Lautstruktur. Es gelingt ihm nur schwerlich, Wörter in Phoneme zu zergliedern und diese dann im Umkehrschluss wieder zu Wörtern zusammenzusetzen. Er scheitert an der Dekodierung und Repräsentation der Buchstabenfolge im Gedächtnis, was bedeutet, dass seine generelle Fähigkeit, schriftliche Symbole lautsprachlich zu rekodieren, defizitär ist und er dadurch bedingt sehr lange für diesen Vorgang benötigt. Dies kann mitunter auch den Zugriff auf sein semantisches Lexikon negativ beeinflussen, da es Schüler mit dieser Problematik meist schwer fällt, bedeutungshaltige von bedeutungsleeren Worten zu unterscheiden.

Das Beispiel Timo legt ebenso ein Defizit in der seriellen Benennungsgeschwindigkeit vor. Da der Deutschunterricht nicht das einzige Fach ist, das für ihn eine Hürde darstellt, ist davon auszugehen, dass seine Fertigkeiten, Zahlen und Gegenstandsbilder zu benennen, ähnlich wie das Vermögen beim Lesen von einem Wort aufs nächste „umzuschalten“, doch recht stark im Rückstand liegen. Die Buchstabenfolgen der Wörter im orthographischen Lexikon werden nicht schnell genug aktiviert, die zu leesenden Wörter dadurch nicht schnell genug erkannt. Timo hat also offenkundig Defizite in der Speicherung von Schriftwörtern, wodurch sich langsames Lesen und Rechtschreibfehler einstellen.

b)    Welche diagnostischen Schritte sind als nächstes sinnvoll?

Zu den Methoden, die Herr K. bei seinem Schüler durchaus anwenden könnte, zählt zunächst die Würzburger Leise-Lese-Probe, die die Lesegeschwindigkeit von Schülern erfasst, in dem einem geschriebenen Wort ein passendes Bild aus jeweils vier möglichen zugeordnet werden soll. Es bestünde aber auch die Möglichkeit, Lückentextdiktate einzusetzen, oder die Variante des Salzburger-Lese- und Rechtschreibtests, der ganz generell zur Überprüfung des Leistungsstandes dient: Die Schüler werden konfrontiert mit der Behandlung unterschiedlich langer, unterschiedlich vertrauter Wörter, sowie mit sog. Pseudowörtern. Dabei wird bei der Rechtschreibung auf das lauttreue Schreiben ebenso geachtet, wie auf regelgeleitete, orthographische Korrektheit.

Die Fehler, die dabei gemacht werden, unterzieht man dann einer genaueren Analyse, die Hinweise auf Entwicklungsstand der/des Schüler/s und entsprechende Fördermaßnahmen gibt. Man sollte hier jedoch auch das schulische und familiäre Leseverhalten berücksichtigen und evtl. Defizite im Hör- und Sehvermögen und der Sprachentwicklung mit einbeziehen.

c) Welche Interventionsmaßnahmen bieten sich an?

 Schüler wie Timo profitieren meist nicht von Lernangeboten, da ihnen das Lesen generell keinen Spaß bereitet. Sie deshalb jedoch mit weniger schriftlichem Material zu konfrontieren, stellte keine Hilfe dar – im Gegenteil. Gerade dadurch bewirkte man nur eine Vertiefung der Defizite, da mangelnde Übung zum Vergessen  von bereits Gelerntem führt.

Desweiteren wird die Übung auch für andere Fächer benötigt, so zum Beispiel in Mathematik, zur Lösung von Textaufgaben oder ganz allgemein zur Aneignung von Weltwissen im Laufe der Schulzeit.

Auf gefährdete Schüler sollte daher schon möglichst früh aufmerksam gemacht werden, damit eine Förderung rechtzeitig einsetzen kann.  Wenn sich Leistungsbereiche, in denen sie besondere Schwierigkeiten zeigen, herauskristallisieren, müssten diese so präzise wie möglich ermittelt und isoliert werden, und damit die Förderung individuell zugeschnitten.

Das Lesen und Schreiben der/des  Schüler/s  soll systematisch verbessert werden, orientiert am aktuellen Entwicklungsstand und der jeweiligen besonderen Schwierigkeiten. Besonders in Fällen, wie dem des elfjährigen Timo sollte au auf eine Förderung der Buchstabenkenntnis ebenso geachtete werden, wie auf die Einübung der Buchstabe-Laut-Zuordnung und die phonologische Re- und Dekodierung. Während dieses Trainings verhindert die Verwendung von Pseudowörtern, dass die Kinder schwierige Worte einfach überspringen oder sogar auswendig lernen.

Übungen dieser Art können auf unterschiedlichste Weisen durchgeführt werden, zum Beispiel durch spielerische Formen, unter Verwendung von Reimwörtern, Austausch von Vokalen, oder dem Vergleich ähnlich klingender Worte mit unterschiedlicher Bedeutung, um das Lautbewusstsein zu stärken. Vielleicht könnten bei Timos Problematiken auch sprechmotorische Übungen, oder solche zur Artikulation zur Besserung beitragen, oder – vom Lehrer sicher leichter anwendbar – lauttreue Diktate, die die Einübung phonetischer Kompetenzen subventionieren und vielleicht der ganzen Klasse als unterstützende Maßnahmen dienen könnten.

Im Hinblick auf das Gesamtkonzept des Unterricht böten sich auch immer wieder vereinzelte „Zusatzwerkzeuge“ an, wie Lese- und Übungshefte, Spiele, Karteikarten oder Lernsoftwares für solche, die bereits im medialen Bereich etwas fortgeschritten sind.

Grundsätzlich gilt jedoch bei allen Methoden: Zuerst kommt die Aneignung von basalen Fähigkeiten, dann erst die eine Erhöhung des Lesetempos – dies dient der Verbesserung des Verständnisses gelesener und geschriebener Worte.

Insbesondere hat die Leseförderung Vorrang vor der Schreibförderung, damit mangelnde Leseentwicklung nicht auch das Rechtschreiben gefährdet.

 

Aufgabenblock 6 – Notenvergabe

 a)  Welche Funktionen sollen Schulnoten erfüllen?

Schulnoten sind in ihrer Funktion nicht auf ein Moment beschränkt, sondern erfüllen gleichsam mehrere Aufgaben. Sie dienen sowohl als Maßzahlen für Leistung, als auch zur Orientierung, erfüllen ebenso eine Motivations-, wie Sozialisationsfunktion und subventionieren die Evaluation und Kontrolle von Arbeiten und deren Ergebnissen. Sie bieten die Entscheidungsgrundlage für Auslese und Berechtigungen, genauso wie ihnen eine entscheidende Rolle im Machtgefüge der Schule zukommt.

Was dies im Einzelnen bedeutet, soll im Folgenden noch etwas deutlicher werden: Die inhaltlichen Attribute der Leistung eines Schülers werden übersetzt in eine Zahl, eine vom Lehrer zuteilte Note. Dies spiegelt nun zwar nicht die inhaltlichen Kriterien wieder, erfüllt hier aber eine wichtige pädagogische Funktion der Rückmeldung, welche ein entscheidendes Moment des Lernens darstellt: Sie gibt Auskunft über erreichte, oder nicht erreichte Ziele, über den Leistungsstand eines individuellen Schülers oder gleich einer ganzen Klasse in Bereich eines Faches, oder ihrer fächerübergreifenden Gesamtleistung, die dann sowohl die Schüler selbst, als auch Eltern und Lehrer nachvollziehen können.

Auf diesem Wege findet ein Akt der Kommunikation statt. Und das rekurriert nicht nur auf das hierarchische Beziehungsgefüge zwischen Lehrer und Schüler (der Lehrer als anleitende Instanz bewertet die SuS) , sondern bedient generell den Kommunikationsaspekt, indem durch die Notenvergabe sowohl Lob, als auch Ansporn oder Tadel ausgedrückt werden kann, die der Benotete dann von der Ziffer in die jeweilige Aussage dekodieren kann.

 

b)  Inwieweit erfüllen Schulnoten die Testgütekriterien?

Zunächst sei festgehalten, dass es sich bei Noten ganz oberflächlich betrachtet um Schätzurteile zu Leistungen handelt. Sie sind dabei jedoch nicht unbedingt Messinstrument, da es ist immer ein Mensch ist, der seiner Beurteilung in einer Note zum Ausdruck bringt. Die Qualität des Urteils steht dabei in Abhängigkeit zu der Qualifikation zur Beurteilung, also vom behandelten Gegenstand, dem Vorgehen des Lehrer (schließlich befinden wir uns im Aktionsfeld Schule), seinen Kriterien und davon, wie gut er die Schüler kennt.

Bereits hier könnte man infrage stellen, wie hoch die Messqualität von Schulnoten tatsächlich ist, da Bewertungswege sehr unterschiedlich ausfallen können. Gleiche Leistung kann durch unterschiedliche Lehrer auch durchaus unterschiedlich benotet werden. Zumindest klassenintern lassen sich aber auf diesem Wege Vergleiche zwischen Schülern und deren Leistungen ziehen – klassen-, bzw. schulübergreifend gestaltet sich diese Verfahren jedoch weitaus schwieriger. Darin liegt das Ideologie- und Legitimationsproblem von Schulnoten und die Begründung, warum sie nur bedingt als Testgütekriterien einsetzbar sind. Man wird mit ihrer Anwendung stets nur einen groben Referenzrahmen zur Beurteilung erhalten.

Desweiteren mangelt es dem schulischen Benotungssystem an Objektivität und Validität – den wohl mitunter entscheidendsten, unbedingt erforderlichen Testgütekriterien. Besonders problematisch wird es, wenn die Benotung durch Urteilsfehler belastet und ihre Aussagekraft durch sachfremde Einflüsse beeinträchtigbar wird. Für derartige Fälle ließe sich nur dann eine Verbesserung erzielen, wenn die Benotung in ihren Kriterien an sich inhaltlich klarer ausdifferenziert wäre, und dies insbesondere auf dem Gebiet der Leistungsbeurteilung.

Kritiker würden, zur Distanzierung der Noten von wissenschaftlichen Tests wohl anführen, dass erstgenannte auf unterschiedlich gehandhabten, subjektiven, instabilen, beeinflussbaren Vergleichs- und Schätzungsvorgängen bestehen. Um Messfehler dieser Art zu umgehen, müssten Lehrer allerdings die von ihnen verteilten Noten als tatsächlich begründete, aber subjektive Schätzungen klassifizieren, dies hingegen würde ihre Qualifikation als Beurteilende ggf. infrage stellen.

 

c)  Auf Grundlage von Aufgaben a) und b): Inwieweit erfüllen Schulnoten die Ihnen angedachten Zwecke? Beschreibe für mindestens eine Funktion eine aus Deiner Sicht bessere Alternative.

So sehr Felix Winter sich auch darauf versteht, die Vergabe von Schulnoten mit vielen, aber doch recht inhaltsleeren Worten zu kritisieren, kann ich dennoch nicht anders, als das Benoten schülerischer Leitung als durchaus zweckhaft zu empfinden.

Ihre Verteilung durch den Lehrer mag vielleicht nicht den Testgütekriterien entsprechen, aber dieses ist, meinem Erachten nach auch nicht von oberster Priorität, da die Beziehung zwischen Schüler und Lehrer schließlich keine primär wissenschaftlich-hypothetische ist, sondern ein reziprokes  Personengefüge, bei dem aus der personalen Interaktion heraus die Bewertung der Schüler erfolgt. Ohne Kommunikation keine Rückmeldung über die vorliegenden Leistung, ohne Rückmeldung keine Veränderung oder Aufrechterhaltung der Arbeitsweise eines Schülers. Jedes Individuum benötigt Responsion zur eigenen Bestätigung, oder zum Erkennen gemachter Fehler.

Besonders Winters Argumentation, die Benotung nicht ausreichender Leistung könnte das Selbstwertgefühl der Schüler beeinträchtigen und sich negativ auf ihre Gefühlswelt auswirken, halte ich für ausgesprochen redundant. Da gerade in der heutigen Zeit, die Klassen sehr häufig eine starke Vermischung von Leistungsstufen und – und das ist in keiner Weise unbedeutend – Ethnien aufweisen, erschwert sich die Aufgabe des Lehrers, die Unterrichtsinhalt allen Schülern in gleichem Maße zu vermitteln. Und wenn Herr Winter ehrlich zu sich selbst wäre, müsste er sich eingestehen, dass es durchaus auch Schüler gibt, die einfach keine Motivation zur Leistungserbringung haben und demzufolge dann nicht der „Willkür“ des Lehrers ausgesetzt sind, sondern schlichtweg das in Form einer Zahl, Schwarz auf Weiß, quittiert bekommen, was sie erbracht haben – nichts.

Es gibt natürlich auch solche, denen nicht die Motivation fehlt, sondern das Verständnis der Arbeitstechniken (Ja, ich war auch nicht gut in Mathe, obwohl ich das gern gewollt hätte), aber eben dazu dient die Notenverteilung: Zur Erkenntnis eigener Stärken und Schwächen der Schüler. Zur Bestätigung der von ihnen erbrachten Leistung. Eine gute Zensur bedeutet, dass die Mühe sich gelohnt hat, die investierte Arbeit nicht umsonst war. Wenn doch, dann kann der Schüler auch daraus einen Nutzen ziehen: entweder, er weiß, dass die Fehlleistung an mangelnder Vorbereitung lag und fühl sich von nun an zu mehr Fleiß angespornt, oder er gewinnt eine Ausrichtung für zukünftige Prüfungssituationen. Salopp gesagt: Mit ‘ner Sechs in Mathe, studiere ich nicht BWL, aber das weiß ich dann wenigstens schon vorher!

Um nun doch noch der Forderung der Aufgabe c) gerecht zu werden, soll an dieser Stelle ein Vorschlag für eine Alternativregelung stehen:

Dass diese Methode nicht auch die Gefühle der Schüler verletzt, kann natürlich nicht gewährleistet werden, dennoch wäre vielleicht ein schriftlich ausformuliertes Zeugnis eine inhaltlich konkret auf die erbrachte Leistung rekurrierende Maßnahme, die sowohl dem Lehrer die Möglichkeit gäbe, zu begründen, warum seine Notenwahl so ausfiel, wie sie ausfiel, als auch dem Schüler mehr bietet, als nur eine Zahl, die es zu interpretieren gilt. Diese Weise sollte dem Kommunikationsaspekt gerecht werden und demzufolge auch Schüler und Lehrer gleichermaßen.

Diagnose und Förderung – Aufgabenblock V

 

a)    Lest den Bericht von Frau Lingen. Welche Wahrnehmungsfehler könnten in der Schilderung auftreten?

Frau Lingen sucht in dem Verhalten ihres Schülers Klaus nach einer Struktur, die ihr helfen könnte, die Problematik, die sich in der Arbeit mit ihm ergibt, zu lösen. Das ist nicht allein ihre individuelle Einstellung (obwohl sie gerade bei Lehrer vermutlich recht häufig auftritt), sondern ganz generell der menschliche Hang zur Suche nach sinnvollen Zusammenhängen, die an sich möglichst widerspruchsfrei sind.

Um solche eventuellen Zusammenhänge zu erschließen, hat Frau Lingen nun die Möglichkeit auf vier unterschiedliche Ebenen der Attribution zurückzugreifen: Zunächst wäre es möglich, internal-stabil zu argumentieren, das heißt, Klaus‘ Verhalten dahingehend zu deuten, dass ihm weder das Thema liegt, noch eine signifikante Möglichkeit der Leistungssteigerung besteht, das der Schüler an sich einfach „schlecht“ ist. Wäre die Ursache allerdings internal -variabel, so wäre Klaus nicht hinreichend vorbereitet gewesen.

Frau Lingen könnte aber durchaus auch darauf ausgerichtet attribuieren, dass in Klaus‘ Angelegenheit eine external-stabile Ursache vorliegt, das bedeutete eine schlechte/strenge Lehrerin, oder aber eine external-variable, was dann auf schlichtes Pech zurückzuführen wäre, da Klaus selbst den Unterrichtsstoff eigentlich beherrschte. (Dieses Modell kann natürlich ebenso gut auf den positiven Fall angewandt werden.)

Wie sich bereits vermuten lässt, neigt der Mensch dazu, immer geeigent zu attribuieren, wobei besonders bei der externalen Argumentationslinie das Selbstkonzept (also die individuelle Auffassung des eigenen Seins/ der eigenen Selbstvorstellung) weniger geschädigt wird, als dies bei einer internalen der Fall wäre. Deshalb sind sowohl Wahrnehmungs-, als auch Attributionfehler nicht unwahrscheinlich. Insbesondere der „fundamental Attributionsfehler“ muss bei einem solchen Beispiel bedacht werden. Dieser charakterisiert sich dadurch, dass man viel eher geneigt ist, bei anderen stabil und internal zu attribuieren (eine Person die einmal unpünktlich ist, muss es also grundsätzlich unpünktlich sein), bei uns selbst aber external und variabel (stets mit der Einschränkung „…nur, weil…“).

Mit diesem Wissen als Grundlage stellt sich nun also die Frage, ob die Lehrerin nicht zum Schutze des eigenen Selbstkonzeptes, die Gründe für sein Verhalten bei ihrem Schüler sucht und nicht Klaus selbst, sondern eventuell der Unterricht, oder die Lehrart und –weise Frau Lingens nicht Ursache für seine Fehlleistungen sein könnte.

Eine andere Möglichkeit der fehlerhaften Wahrnehmung, einer unbewussten Beeinflussung ihres Urteils, könnte aber auch in Form des Halo-Effekts gegeben sein. In diesem Fall würde eine an Klaus wahrgenommene Eigenschaft sein übriges Verhalten derart überstrahlen, dass dies ausreichte, Frau Lingens Urteils über Klaus‘ übrige Eigenschaften zu färben. Verhält sich ihr Schüler also in einem Aspekt negativ, auf welchen seine Lehrkraft besonders reagiert, so negiert dies automatisch, wenn auch nicht logisch, ihre Auffassung seines ganzen (!) Betragens.

 

b)     Analysiert die Probleme, die bei Klaus auftreten. Erklärt diese aufgrund von Motivationstheorien

Besonders im persönlichen Gespräch mit seiner Lehrerin, eröffnen sich die Probleme, die Klaus belasten. Dabei fällt vor allem der Aspekt ins Auge, dass Klaus aussagt, er sei lediglich seinen Eltern zuliebe auf ein Gymnasium gegangen, beurteile sich selbst jedoch nicht als zureichend talentiert. Direkt damit zusammenzuhängen scheinen ebenso seine Versagensangst, die Belastung, die Misserfolge bei ihm auslösen und die Tatsache, dass er mit seinem Berufswunsch (Informatiker) bereits abgeschlossen hat.

Begründen lässt sich all das recht wahrscheinlich damit, dass Klaus jegliche intrinsische Motivation fehlt. Er ist rein extrinsisch motiviert, sieht in seiner Lernhandlung lediglich das Herbeiführen oder die Vermeidung negativer, oder positiver Konsequenzen – Das Lernen, die Stärke und Dauer der Arbeit aber, die er investiert, ist allein von externaler Regulation abhängig: Er tut es, weil es von ihm erwartet wird.

Auch seine dysfunktionale Arbeitsweise (das kurze Interesse an leichten, kombiniert mit langem Aufhalten an schweren Aufgaben) wird schlussendlich darauf zurückgeführt werden können, dass Klaus selbst keine persönliche Relevanz in dem, was er tut erkennen kann, und stattdessen, introjiziert reguliert, lernt, um sich nicht schlecht zu fühlen und die Meinung, die sowohl Lehrer, als auch Schüler von ihm haben könnten, zu beeinflussen.

 

c)    Gebt stichpunktartig an, welche Handlungsmöglichkeiten sich aufgrund der Theorie für Frau Lingen ergeben

Steigerung des Selbstwertgefühl ihres Schüler durch …

– Habituelle Motivation: Wiederholung einer gewohnheitsmäßig auftretendes Motivation durch z.B. Lob.

– Zielsetzung einer identifizierten Regulation: Somit würden dann ursprünglich externale Handlungsziele von Klaus als eigene akzeptiert.

Wenn Klaus erkennt, dass er nicht für dritte, sondern für sich allein arbeitet und das Erreichen seines Berufswunsches nur von ihm abhängig ist, so würde dies vielleicht positiven Einfluss auf sein Selbstbewusstsein und somit auch auf seiner Arbeitshaltung haben.

Damit verbunden ließe sich sein Problem eventuell auch damit lösen, dass man den „Big fish in a little pond“-Effekt dahingehend aufhebt, indem Klaus in eine andere Klasse – oder tatsächlich auf eine ihm angemessener erscheinende Schulform versetzt. Ein leistungsstarker Schüler in einer Klasse mit durchschnittlich weniger Leistungsstarken hebt sich deutlich heraus. In einer vorwiegend leistungsstarken Klasse ist dieser jedoch weniger signifikant, fühlt sich also, bei gleichbleibendem Niveau, schlechter als die übrigen.

– Konzentration auf external-variable Selbstreflexion

Diagnose und Förderung – Aufgabe 4

Eine Schülerin/ein Schüler erreicht dauerhaft nicht die geforderten Lehrziele. An welchen Faktoren (allgemeine Faktoren und ggf. konkrete Beispiele) kann dies liegen?

Um diese Frage treffend beantworten zu könne, ist es zunächst notwendig, zu definieren, wie sich das Nicht-Erreichen der geforderten Lernzeile überhaupt  charakterisiert: Die Situation, die vorliegt, ist ganz allgemein bestimmt erst einmal eine Diskrepanz zwischen einem akuten IST-Zustand, zu einem, der Entwicklungsstufe des Alters entsprechenden, SOLL-Zustand. SOLL-Zustand wäre in diesem konkreten Beispiel das Erreichen der Lernziele (so, wie es die Majorität der übrigen Schüler auch leisten kann).

Diese Leistungsabweichung kann im heutigen Schulalltag das Resultat unterschiedlicher Faktoren sein.

Zum einen können Lern- und Leistungsprobleme der Auslöser sein, darunter zum Beispiel die, die nicht nur die von ihr bezeichneten Kompetenzen der Betroffenen beeinträchtigt, sondern auch Begleiterscheinungen zur Folge haben kann, wie eine Sprachstörung oder generelle Aufmerksamkeitsschwierigkeiten.Gerade derartige Teilleistungsstörungen können wiederum andere begründen:

Ein Kind, dass aufgrund seiner Lese-Rechtschreib-Schwäche nicht im Stande ist, die in der Schule geforderten Leistungen zu erfüllen, wird vielleicht durch die Eltern, die sein Defizit nicht als solches erkennen, zu intensiverer Leistung angetrieben, obwohl ihm dies gar nicht möglich ist. Durch den entstehenden Stress könnten dann erst recht Hausaufgabenkonflikte, oder ein Verlust des Selbstwertgefühls, eventuell begleitet von depressiven Verstimmungen, da der Druck zwar stetig wächst, der Erfolg aber dennoch ausbleibt. Was folgt, ist ein Teufelskreis der Demotivation: Leistungsdruck bedingt deren Leistungsabfall.

Es kann sicherlich auch davon ausgegangen werden, dass ein Kind, das in der Schule durch z.B. Lücken im Sprachgebrauch (stockendes Vorlesen etc.) auffällt, in soziale Integration gefährdet sein könnte, da Mitschüler evtl. dazu neigen, es zu hänseln oder aus der Klassengemeinschaft auszuschließen, um ihren eigenen Leistungsstand nicht infrage zu stellen.Wie in einer Kettenreaktion, wird dieses Kind dann vielleicht aufgrund der Erfahrung eines solch negativen Schulumfelds, den Gang zur Schule generell als unangenehm, mitunter sogar angstauslösend empfinden.

Aber nicht nur psychische Probleme können Gründe für eine Diskrepanz von IST- und SOLL-Zustand sein, sondern auch familiäre Faktoren.

Dazu kann auch ein Migrationshintergrund der Familie gehören, denn teilweise sind die Eltern dieser Kinder nicht so fest in der deutschen Sprache verwurzelt, als dass sie ihnen ihr Wissen weitervermitteln könnten. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund zeigen in derartigen Fällen dann vielleicht Verständnisschwierigkeiten und demzufolge auch Leistungsschwächen, da Verständnisfehler zuhause nicht behoben werden können, oder aber sich diese erst im Kontext Schule überhaupt zeigen. Durch sprachliche Benachteiligung sind sie somit lernschwächer. Ist eine solche Blockade durch Sprache gegeben, kann man nicht ausschließen, dass vielleicht auch der Kontakt zu Mitschülern so erschwert wird, dass soziale Bindungen vernachlässigt werden und somit auch das Sozialverhalten nicht gefördert wird. Dies kann auch damit zusammenhängen, dass die Gewaltbereitschaft des Elternhauses in Familien mit Migrationshintergrund häufig eher gegeben ist, und die Kinder auf diese Art ein falsches Sozialgefühl vermittelt, bzw. dadurch erst wieder einen Hang zum Leistungsabfall (durch Druck) bekommen.

Um im Wirkungsbereich Familie zu bleiben, könnte man als einen weiteren Indikator einen schlechten sozioökonomischen Stand der Familie hinzuziehen, da Nachforschungen auf diesem Gebiet nachweisen konnten, dass Kinder, deren Familie tatsächlich sozioökonomisch benachteiligt sind, eher zu Überforderung (im Schulalltag) neigen, als andere.Dabei ist jedoch auch bei jenen „anderen“ Familien eine Leistungsschwäche nicht von vornherein ausgeschlossen: Auch hier kann, so zum Beispiel durch die Eltern, Druck ausgeübt werden, der das Kind eher am Lernen hindert, als es darin zu fördern.

Es wäre aber auch denkbar, dass die Scheidung und evtl. der damit verbundene Partnerwechsel eines Elternteils ausschlaggebend für die Lernstörung eines Kindes ist, da dieses Schwierigkeiten hat, sich in diesem neuen, sozialen Gefüge zu etablieren.

All diese Faktoren können mit hineinspielen, wenn eine Schülerin oder ein Schüler in der Schule defizitär vom, dem Alter angemessenen, Leistungsstand abweicht. Was jedoch im Einzelfall zutrifft, muss unter Berücksichtigung des jeweiligen Individuums in Erfahrung gebracht werden.

 

Bestimme für die einzelnen Faktoren, welche grundsätzlichen Strategien zum Umgang damit bestehen.

Förderung bedeutet in diesem Fall die Reduzierung der bereits oben erwähnten Diskrepanz von einem temporären IST-Zustandes zu einem (angemessenen) SOLL-Zustand.

Um auf grundsätzliche Förderungsmaßnahmen zurückgreifen zu können, muss vorrangig immer eines im Fokus stehen: Der Schüler( die Schülerin), bei dem eventuell Förderbedarf notwendig ist. Flankierend sollen dann zusätzlich Berater, sowie Lehrer und Eltern den Vorgang durch Erziehungskompetenz subventionieren.

Im Hinblick auf den IST-Zustand sollte zuerst das eigentliche Problem diagnostiziert werden, und zwar basierend auf Erkenntnis elaborierter, pädagogischer Forschung. Weiterhin muss auch das SOLL, also der Zustand, an den der Leistungsstand angenähert werden soll, klar definiert werden.  Die Frage ist: Was wäre eine dem Alter entsprechende Entwicklungsstufe?Erst, wenn darüber Klarheit herrscht, kann auch die richtige Förderungsstrategie eingesetzt werden.

Basal lässt sich Förderung in drei Kategogien unterteilen: Prävention, kurative Maßnahmen und Rehabilitation.

Besteht ein präventiver Anlass, ist die Diskrepanz zwar noch nicht aufgetreten, aber möglich bis absehbar. Eine präventive Förderung entspricht demnach einer Vorsorgemaßnahme, die eine Leistungsdiskrepanz erst gar nicht entstehen lassen soll.

Am Beispiel könnte dies unter anderem angewandt werden im Bereich der Vermeidung antizipierter Problemzustände, wie (exemplarisch) Konzentrationsschwächen durch schlechte Ernährung. Hier könnte bereits präventiv durch gezielte Informationsprogramme für Eltern und Schüler auf deren Essverhalten und damit auch ihre Gesundheit eingewirkt werden.

Bei einem interventiven Anlass, besteht bereits eine Diskrepanz, deren Einebnung kurative Maßnahmen erfordert. Rekurrierend auf Aufgabenteil a) könnte es sich dabei zum Beispiel um die Förderung der Sprachkenntnisse von Schülern mit Migrationshintergrund handeln. Durch gezielte Unterstützung könnte auf diese Weise ihre Sprachkompetenz gestärkt und somit auch ihre schulische Leistung wieder verbessert werden.

Rehabilitation schließlich, wird dann verwendet, wenn das eigentlich Problem zwar bereits behoben ist, jedoch Spätfolgen auftreten, die aber mit darauf zugeschnittenen Maßnahmen behoben werden können.

 

Auf Grundlage von Aufgaben a) und b): Wo siehst Du als Lehrerin/Lehrer Dein zukünftiges Aufgabengebiet, wo sind Deine Grenzen?

Die Problematik bei der Beantwortung dieser Frage, wird bereits offenbar in der Art ihrer Formulierung.

Meiner Meinung nach gehend die Aufgaben eines Lehrers in der heutigen Zeit viel weiter, als ihre Grenzen dies zulassen.Das liegt jedoch weniger an den Grenzen der Förderungsmöglichkeiten, als an der Bandbreite von Aufgaben, die sich erst in den letzten Jahren herauskristallisiert haben.

Vor einiger Zeit noch fiel in das Aufgabengebiet eines Lehrers lediglich die geistige Bildung und disziplinierte, teilweise auch soziale Erziehung – wobei diese vorrangig dem Elternhaus zukam.In der heutigen Gesellschaft jedoch, kommen auf uns als künftige Lehrkräfte weit umfangreichere Aufgaben zu, als dies noch vor dreißig Jahren der Falls war. Wir befinden uns stets in einer Position, in der damit zu rechnen ist, dass die Kinder, die unsere Schüler sind, aus ihrem elterlichen Umfeld nur wenig soziale Kompetenzen vermittelt bekommen haben, was nicht zuletzt an der immensen Zunahme einer gesellschaftlichen sozioökonomischen Schwächung liegt, die es den Eltern zum Teil auch kaum noch erlaubt intensiv Zeit in die soziale Erziehung ihrer Kinder zu investieren.

Auf schulischem Wege soll also nicht nur ihr Bildungsniveau erweitert, sondern auch ihr zwischenmenschliches Verhalten gestärkt werden.

Nicht zuletzt kommt hinzu, dass die Zuwanderungsrate in Deutschland gerade in den vergangenen Jahr doch zugenommen hat und sich das neue und zukünftige Lehrerkollegium auch darauf einstellen muss, mit Schülern zu arbeiten, deren Sprachkenntnisse noch nicht dem Stand der übrigen Klassenteilnehmer entsprechen. Wir müssen also einen Weg finden, der es erlaubt sowohl die Sprachkompetenz (aller! – das ist wichtig) Schüler zu subventionieren, uns um eine sozial angemessenes Klassenklima zu bemühen, in dem niemand benachteiligt wird (sei es durch sprachliche oder sonstige Diskrepanz) und im Rahmen all dessen den Bildungsaspekt so zu integrieren, dass allen Schülern ein dem Alter angemessenes Entwicklungsniveau gewährleistet wird.

Das wären, die Aufgaben der Lehrer, wie ich sie sähe, stünden uns dabei nicht so viele Grenzen im Wege.Denn leider können wir nicht wissen, ob auch die Eltern unserer Schüler mit diesem System, das an sich ja doch recht realistisch und zielorientier konzipiert ist, kooperieren.

Wir können auf Erziehung und Förderung nur so weit Einfluss nehmen, wie es den schulischen Rahmen betrifft. Was zuhause, im familiären Umfeld passiert, entzieht unserem Wirkungsbereich.

Wenn die Eltern mit Migrationshintergrund darauf beharren, dass ihr Kind weiterhin ihre Muttersprache spricht, anstelle es zu unterstützen sich sprachlich fortzubilden, dann ist es fraglich, ob der in der Schule initiierte Förderunterricht wirklich einen Effekt erzielt.

Wenn ein Schüler mit sozial-emotionaler Störung (und in diesem Fall referiere ich auf ein real-existentes Beispiel) auch seine Freizeit mit Kindern verbringt, die seine unkontrollierten Verstimmungen nur noch mehr fördern und auch die Eltern nicht an der psychologischen Betreuung ihres Kindes interessiert sind, inwiefern kann die von der Schule engagierte psychologische Fachkraft noch Einfluss auf sein Verhalten nehmen?

Was uns als künftigen Lehrern bleibt, ist unseren Aufgaben, so wie sie sich uns stellen nach besten Vermögen nachzukommen und die Schüler und Schülerinnen so zu fördern, wie wir können – und zwar auf ALLEN Kompetenzebenen. Wir müssen sie vorbereiten auf ihre Zukunft und die Gesellschaft, die damit einhergeht. Was nicht mehr in unserer Verantwortung liegt, können wir vielleicht nicht ändern, aber da, wo wir wirken können, sollten wir unsere Aufgaben so intensiv wahrnehmen wie es geht.