Im Fokus dieses Beitrags steht die Positionsbestimmung zum Konzept des „Forschenden Lehrens“. Anhand theoriegeleiteter und praxisorientierter Literatur möchte ich mein eigenes Verständnis vom Lehrer als Forscher herleiten und unterstützen.
Das Rahmenkonzept des „Forschenden Lehrens“ kann nicht durch eine allumfassende und einheitliche Begriffsbestimmung definiert werden. Der Bedarf des „Forschenden Lehrens“ findet seinen Ursprung in der Veränderung der Umwelt. Die akademische Ausbildung ist ein stetiger Entwicklungsprozess, der „professionstheoretische Reformulierung des Lehrerhandelns“ (Altrichter/Posch 2007: 337) impliziert. Die Reformulierung des Lehrerhandelns bedeutet gleichzeitig, dass die Entwicklung der Kompetenzen während der Lehrerbildung an institutionelle und organisatorische Rahmenbedingungen anzupassen ist. Auch Kremer und Ertl (2005) stützen ihren Ausgangspunkt auf Veränderungen der Umwelt. Dazu zählt der Wandel des „gesellschaftlichen Wertepluralismus“, der „Interkulturalität“ und der „Ansprüche der heutigen Wissensgesellschaft“ (Ertl/Kremer 2005: 1). Der Wandel unserer Gesellschaft stellt gleichermaßen einen Anspruch an Lehrkräfte, die mit dem Umgang mit neuen Herausforderungen und curricularen Rahmenbedingungen konfrontiert werden (vgl. Ertl/Kremer 2005: 1). Die Besonderheiten der Arbeitsumgebung wie die unterschiedlichen Bildungsmaßnahmen und die Organisation des Berufskollegs sind damit bei der Unterrichtsvorbereitung zu berücksichtigen (vgl. Kremer 2011: 341f.). Kremer und Ertl (2005) verweisen zudem auf ein „Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen der Lernenden, den Anforderungen der fachlichen Domäne und den Ansprüchen des Lehrenden an sich selbst“ (Ertl/Kremer 2005: 1). Diese Diskrepanz setzt ein anderes Selbstverständnis der Lehrkräfte sowie neue Anforderungen voraus (vgl. Altrichter/Posch 2007: 320). Aufgrund dessen wird eine „Innovationsfähigkeit und –bereitschaft“ (Ertl/Kremer 2005: 2) gefordert. Altrichter und Posch begründen die Notwendigkeit zur Innovation und vorhergehenden Forschung damit, dass die Verbesserung des Unterrichts nicht dadurch gekennzeichnet werden kann, dass Standards vorgegeben werden. Vielmehr ist es wichtig, dass Lehrer eine Expertise und Fähigkeit sowie Bereitschaft zur Weiterentwicklung veräußern. (vgl. Altrichter/ Posch 2007, S. 23). Meiner Meinung kann die theoretische Ausbildung diese Kompetenz lediglich fördern, jedoch nicht ausreichend vorbereiten. Lehrer werden immer mehr mit neuen und komplexeren Situationen konfrontiert. Die akademische Ausbildung liefert jedoch nur begleitende Instrumente und ein Fundament systematischer Erkenntnisse, die in situationsgebundenen Problemen hilfreich sind. Die Fähigkeit mit Entwicklungen und Veränderungen umzugehen, kann eine theoretische Ausbildung jedoch nicht vollständig leisten (vgl. Ertl/Kremer 2005: 2).
Die Liste der Kompetenzen für Lehrkräfte kann daher ins Unendliche fortgeführt werden. Ich möchte jedoch im Folgenden darauf eingehen, welche Kompetenzen im Zuge des „Forschenden Lehrens“ relevant sind und wie diese mit der akademischen Ausbildung im Zusammenhang stehen. Ausgangspunkt des „Forschenden Lehrens“ ist professionelles Lehrerhandeln. Professionelle Kompetenzen werden innerhalb der Ausbildung durch Erfahrung und Routine erworben (vgl. Blömeke 2003; Schönknecht 2011: 1). Basierend auf Wissen, Routine und dem Berufsethos geht es darum, dass Lehrkräfte über ein breites und spezifisches Wissen verfügen und dieses Wissen auch vermitteln können. Lehrer agieren als Experten, in dem sie Probleme und Schwierigkeiten erkennen und anhand ähnlicher Situationen Entscheidungen treffen und handeln (vgl. Schönknecht 2011: 1). Schönknecht beschreibt in ihren Ausführungen, dass die Lehrerausbildung jedoch einen geringen Einfluss auf professionelles Lehrerhandeln hat, da dieses in der Berufspraxis erworben wird und „biographisches Lernen hier keine Rolle spielt“ (Schönknecht 2011: 20). Kremer und Zoyke (2007) bezeichnen die Bereitschaft das eigene Handeln zu verändern und zu verbessern als einen wichtigen Baustein für professionelles Lehrerhandeln. „Innovieren“ wird daher als eine Hauptaufgabe von Lehrkräften angesehen (vgl. Kremer/Zoyke 2007: 5). Altrichter und Posch sprechen von der Fähigkeit Entwicklung zu erfassen und den Unterricht durch Expertise zu verbessern (vgl. Altrichter/Posch 2007: 23). „Innovieren setzt somit Forschen voraus“ (Kremer/Zoyke 2007: 5) und ist daher eine zentrale Kompetenz des „Forschenden Lehrens“. Lehrende sollen in der Lage sein, Probleme und Defizite zu erkennen, Verbesserungsmöglichkeiten zu entwickeln und Maßnahmen einzuleiten, die in ihrem Arbeitsalltag langfristig integriert werden können (vgl. Kremer/Zoyke 2007: 5; Altrichter/Posch 2007: 13ff.). In den Standards für Lehrerbildung der Kultusministerkonferenz aus 2004 (KMK) ist Innovieren als einer der vier Hauptkompetenzen neben Unterrichten, Beurteilen und Erziehen aufgeführt. Dazu gehört es die eigenen Kompetenzen weiterzuentwickeln, sich an schulischen Projekten zu beteiligen und den Lehrerberuf als „eine ständige Lernaufgabe zu verstehen“ (KMK 2004: 12f.). Im Fokus der Kompetenz steht die kritische Reflexion der eigenen Einstellung und des Handelns sowie die Nutzung von Ergebnissen aus der Bildungsforschung für eigene Tätigkeiten (KMK 2004: 12; Altrichter/Posch 2007: 337f.).
In diesem Bildungskomplex „schlüpft“ der Lehrende in unterschiedliche Rollen. Zum einen ist er Forscher und Lehrender und zum anderen ist er selbst Lernender (vgl. Kremer 2011: 341). Die Innovationskompetenz stellt an Lehrkräfte den Anspruch, dass sie sich mit Lernprozessen auseinandersetzen (Kremer/Zoyke 2007: 7). Aus meiner Sicht kann Lernen als eine Basis von Lehren angesehen werden. Damit eine Wissensvermittlung stattfinden kann, muss die Lehrperson erst mal dieses Wissen aneignen. Dann müssen Methoden und Formen der Wissensvermittlung gegeneinander abgewogen werden, um dann zu entscheiden, wie das Wissen an die Lernenden herangetragen werden kann. Somit beschäftigt sich eine forschende Lehrkraft sowohl mit dem „Forschenden Lehren“ als auch mit dem „forschenden Lernen“. Forschendes Lernen ist daher ein „methodisches Prinzip für die Gestaltung von Lehre“ (Euler 2005: 14), indem Konzepte darauf untersucht und evaluiert werden, ob sie Werkzeuge zur Erklärung und Gestaltung von Praxis sind (vgl. Euler 2005: 16). Somit ist der Lehrende selbst ein Forscher. Betrachtet man „Forschendes Lehren“ unter dieser Annahme, können Parallelen zur Aktionsforschung (action research) gezogen werden (vgl. Kremer/Zoyke 2007: 7; Altrichter/Posch 2007: 12ff.).
„Action research is a common-sense approach to personal and professional development that enables practitioners everywhere to investigate and evaluate their work, and to create their own theories of practice.“ (McNiff 2002: 1)
Diese Definition der Aktionsforschung fokussiert insbesondere den Aspekt der kritischen Reflexion des eigenen Handelns und verweist zudem darauf, dass eigene Konzepte und Theorien abgeleitet werden können. „Action research involves learning in and through action and reflection […]. (McNiff/Whitehead 2005: 15). Der Ansatz der Aktionsforschung verdeutlicht zudem, dass der Lehrende als ein Bestandteil des Forschungsgegenstands in einem sozialen Gefüge zu betrachten ist (vgl.t McNiff/Whitehead 2005: 15f.)
Bislang lässt sich aus den vorherigen Ausführungen entnehmen, dass „Forschendes Lehren“ ein Konzept ist, das maßgeblich die Innovationskompetenz der Lehrkräfte anspricht. Lehrpersonen befinden sich demnach in einem ständigen Lernprozess, der sie dazu antreibt das eigene Handeln zu hinterfragen, zu evaluieren, zu reflektieren und zu verbessern, um sich an wandelnde Rahmenbedingungen anzupassen. Diese wissenschaftliche Handlungsform setzt somit eine forschende Haltung des Lehrenden voraus. Aufgabe eines forschenden Lehrenden ist es die eigenen Kompetenzen stetig weiter zu entwickeln, um diese Erfahrungen in die Unterrichtsqualität einzubringen und die berufliche Handlungskompetenz auszubauen. Um es mit den Worten von Euler zu vollenden, lässt sich sagen:
„Wissenschaft ist demnach ein kontinuierlicher Prozess der Erkenntnisgewinnung, der prinzipiell nie abgeschlossen ist. Die Lehre speist sich aus der Forschung, das Erlernen von wissenschaftlichem Denken geschieht am wirkungsvollsten durch die Teilhabe an der Forschung.“ (Euler 2005: 3)
Literaturverzeichnis
Altrichter, H./ Posch, P. (2007). Lehrerinnen und Lehrer erforschen ihren Unterricht. Unterrichtsentwicklung und Unterrichtsevaluation durch Aktionsforschung. 4. Auflage. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Blömeke, S. (2003). Professionelles Lehrerhandeln. Kriterien und aktuelle empirische Erkenntnisse aus der Unterrichtsforschung. Vortrag an der Universität Passau. 11.10.2003
Ertl, H./Kremer, H.-H. (2005) (Hrsg.). Innovationskompetenz von Lehrkräften an beruflichen Schulen. In: Innovationen in schulischen Kontexten. Ansatzpunkte für berufsbegleitende Lernprozesse bei Lehrkräften. Paderborn: Eusl. Online: http://www.bwpat.de/spezial2/ertl_kremer_spezial2-bwpat.pdf (28.04.2013).
Euler, D. (2005). Forschendes Lernen. In: Wunderlich, W./Spoun, S. (Hrsg.): Studienziel Persönlichkeit. Beiträge zum Bildungsauftrag der Universität heute. Frankfurt/ New York: Campus, S. 253-272. Online: http://www.edudoc.ch/static/infopartner/iwp_fs/2005/iwp27_250105.pdf (26.04.2013).
McNiff, I. (2002). Action research and principles and practice. London: Routledge.
McNiff, J.; Whitehead, J. (2005). Action research for teachers – a practical guide. London: David Fulton.
KMK (2004). Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften. Online: http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16-Standards-Lehrerbildung.pdf (28.04.2013).
Kremer, H.-H. (2011). Praxisphasen und Professionalisierung in der Lehrerbildung – Überlegungen zur Gestaltung des Praxissemesters. In: Prieß, W. (Hrsg.), Wirtschaftspädagogik zwischen Erkenntnis und Erfahrung – Strukturelle Einsichten zur Gestaltung von Prozessen. Norderstedt: Books on Demand GmbH.
Kremer, H.-H./ Zoyke, A. (2007). Fachdidaktisches Praktikum als Ankerpunkt der Professionalisierung. In: Berufs- und Wirtschaftspädagogik – Online. Ausgabe Nr. 12: Qualifizierung von Berufs- und Wirtschaftspädagogen zwischen Professionalisierung und Polyvalenz. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe12/kremer_zoyke_bwpat12.pdf (28.04.2013).
Schönknecht, G. (2011). Die Entwicklung der Innovationskompetenz von Lehrer/-innen aus (berufs-) biographischer Perspektive. In: Innovationen in schulischen Kontexten. Ansatzpunkte für berufsbegleitende Lernprozesse bei Lehrkräften. Paderborn: Eusl. Online: http://www.bwpat.de/spezial2/schoenknecht_spezial2-bwpat.pdf (28.04.2013).